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Die Party geht weiter...aber wie???
Die ganze Wahrheit über Pyrotechnik und Stadionverbote beim SVB 03

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Es ist diese fürchterliche Ohnmacht, die mich begleitet, seit dem selbst die letzten Versuche unsererseits (der Nordkurvenfans; die Red.), konstruktiv mit der entstandenen Situation umzugehen, gescheitert sind. Eine Mischung aus Ratlosigkeit und Wut sowie der Angst, dass die neue Sprache der Vereinsführung gleichsam das kaputt machen wird, was wir in den letzten Jahren (damit meine ich nicht nur 2 oder 3) mit aufgebaut haben. Die Extreme reichen dann von Resignation (ich gehe da nicht mehr hin) bis zu absoluter Aggression (aus Verantwortung gegenüber eventuellen praktischen Umsetzern möchte ich diese Gedanken gar nicht erst in die Welt entsenden). Zudem gebietet mir mein innerer Moralapostel, auf letzteres nicht zurückzugreifen. Da ich ja aber eigentlich weiterhin ins Stadion gehen will und es ob der fragwürdigen Ehre, noch nicht im Fahndungsraster unserer vereinseigenen Ordnungskräfte zu stehen, sogar noch darf, habe ich auch immer noch kein Erfolgsrezept.
Ich will jetzt hier nicht die schon lang und breit artikulierten Erklärungen abgeben, wie sich der Vorfall aus Sicht der Nordkurve ereignet hat, sondern vielmehr versuchen, eine wertfreie Berichterstattung über die Geschehnisse zwischen dem 20. September und dem heutigen 5. November abzugeben. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass der Rahmen auch bis zum 19. Oktober gesteckt werden könnte, weil seit dem damaligen Aufrechterhalten der Stadionverbote nichts mehr geschehen ist. Stillstand auf der ganzen Linie – aber der Reihe nach.
Beginnen muss man eigentlich mit dem Spiel gegen den Dresdner SC am 5. Spieltag der laufenden Saison (23.08.02). Irgendwann im Verlaufe der zweiten Halbzeit fliegt eine wahrscheinlich noch gefüllte Plastik-Wasserflasche irgendwo von der Gegengerade auf das Spielfeld. Diese trifft den Linienrichter der Partie, der seine Tätigkeit auf Pos. 2, also der Gegengerade verrichtet, am Kopf und dieser wurde dabei auch unübersehbar verletzt. Nach dem, was mir bekannt ist, bot der agierende Schiedsrichter seinem Assistenten an, das Spiel abzubrechen, da er für die Sicherheit des Linienrichters keine Gewähr mehr übernehmen konnte. Dieser gab allerdings an, das Spiel lieber zu Ende führen zu wollen. Nach wie vor verdient er dafür meine absolute Anerkennung. Das während dieses Spiels auch die in Babelsberg allseits bekannten bengalischen Fackeln auf dem Stadionzaun abgebrannt wurden, erschien zu diesem Zeitpunkt keinem von den Nordkurvlern als Problem. Es sollte aber ein ganz großes werden.
Im Verlauf der nächsten Tage war der „Flaschenwurf“ das bestimmende Thema. Eigentlich jeder, der sich dazu äußerte, distanzierte sich von dieser Aktion. Auch das entsprechende Schiedsgericht des NOFV, welches sich mit der Sache beschäftigen durfte, attestierte einen akuten Handlungsbedarf und verhängte eine Strafe von 2250 € gegen den SV Babelsberg 03. Allerdings waren davon nur 250 € für das Abbrennens von pyrotechnischen Erzeugnissen im Stadion verhängt worden. Der Rest ging auf das Konto des Flaschenwerfers. Weiterhin wurde angedroht, bei einer weiteren Gefährdung der Sicherheit eine Platzsperre zu verhängen bzw. ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit anzuweisen.
Die Vereinsführung des SVB 03 verstand diese Androhung als eindeutiges Zeichen, aktiv zu werden. Aus Angst vor dem Entgleiten der Situation wurde im Fanladen in der Karl-Gruhl-Straße ein Treffen organisiert, bei welchem man den Fans die Situation erklären und ein Ende der Pyrotechnik im Stadion herbeiführen wollte. Da derartige Versuche bereits in den Jahren zuvor eher fruchtlos waren, überraschte es wohl niemanden, dass auch dieser Abend nicht mit der eidesstattlichen Erklärung der Fans endete, nie mehr eine Fackel in die Hand zu nehmen. Trotzdem empfand ein großer Teil der anwesenden Fans den Abend als interessant. Unter Berücksichtigung der kommenden Spiele (Borussia M’Gladbach im Pokal ob der zu erwartenden hohen Zuschauerzahl sowie Erzgebirge Aue, da dieses Spiel an einem Samstag Nachmittag stattfand) einigten sich die pyromanisch veranlagten unter den Anhängern darauf, erst gegen Osnabrück wieder zünden. Da zwischen diesem und dem vorangegangenen Spiel gegen Osnabrück die Zeitspanne von fast einem Monat lag, gab dies auch dem Verein etwas Luft bei der Argumentation gegenüber dem NOFV.
Als nun das besagte Spiel gegen den VfL Osnabrück anstand, entschied man sich im Kreis der organisierten Fans, die geplante Pyroshow in eine Protestaktion zu kleiden. Dieser sollte sich wohlgemerkt nicht gegen den Verein SV Babelsberg 03 sondern gegen die Funktionäre von DfB und NOFV richten. Die vorbereiteten Transparente enthielten daher auch die Sprüche: „Danke DfB und NOFV – Im Stadion ist die Stimmung mau!“, „Wir lassen uns nicht erpressen“ und „Fußballfans sind keine Verbrecher“.
Um dem Verein nicht noch zusätzlich zu schaden, wurde entschieden, die Aktion kurz vor Beginn der zweiten Halbzeit zu initiieren. Damit war die Hoffnung verbunden, dass der Schiedsrichter das Spiel nicht unterbrechen müsste und daher auch nicht zu einen Vermerk auf seinem Spielberichtsbogen gezwungen wäre. Ohne einen solchen soll ja gerüchteweise die Gefahr einer Strafe seitens der obersten Gremien „etwas geringer“ sein.
Als der Zeitpunkt der Aktion nahe rückte, stellten die mit ihrer Ausführung befassten Personen plötzlich fest, dass die oben bereits beschriebenen Transparente sich noch in dem Fahrzeug befanden, mit dem auch die restlichen Choreographieartikel wie Blockbanner und Doppelhalter ins Stadion transportiert wurden. An dieser Stelle möchte ich von meiner bisherigen neutralen Sichtweise kurz abweichen und eindrücklich darauf hinweisen, dass mit derartigen Artikeln keine pyrotechnischen Erzeugnisse gemeint sind. Die vorherrschende Meinung seitens der Vereinsführung ist ja wohl immer noch, dass diese mit diversen Automobilen ins Stadion gebracht werden. Der Fahrer des entsprechenden PKW’s verließ daraufhin die Nordkurve in Richtung Hartplatz. Auf dem Weg dorthin folgten ihm irgendwann zwei befreundete Personen, die zwei Rucksäcke aus dem Fahrzeug entgegen nahmen. Der gebotenen Eile entsprechend (die Spieler standen bereits im Stadiontunnel) liefen diese sofort los und beförderten die beiden Rucksäcke per Wurfaktion in den heimischen Fanblock. Dort wurden diese über den Köpfen hinweg in Richtung Zaun bewegt, wo sie pünktlich zu Beginn der Aktion auch ankamen. Nun war aber mittlerweile auf dem Hartplatz einiges geschehen. Die verantwortlichen Sicherheitskräfte, die sich auf diesem aufhielten, werteten die rasche Ausführung der Rucksackübergabe als illegale Aktivität, die nur dem Ziel dienen konnte, unerlaubte Substanzen an ihnen vorbei in den Bereich der Nordkurve zu schmuggeln. Daher mussten sich die beiden später als „Rucksackkuriere“ titulierten Personen erkennungsdienstlichen Maßnahmen unterziehen. Durch diese Hektik auf dem Hartplatz fühlten sich gerade die jüngeren Fans des SVB 03 angezogen. Jeder wollte unbedingt verfolgen, was da geschehen war und wahrscheinlich liebäugelte sogar der ein oder andere damit, im Notfall helfend eingreifen zu können.
Der unglückliche Effekt des ganzen war allerdings, dass sich die „alten Herren“ mit ihren Transparenten plötzlich alleine am (teilweise auch schon auf dem) Zaun befanden. Nur war eine Verknüpfung mit der geplanten Pyroshow nicht mehr möglich, da schlicht und einfach die Pyromanen abhanden gekommen waren. Diese verfolgten weiterhin die Vorkommnisse auf dem Hartplatz – also wurde die Aktion abgebrochen. Dass sie dann später im Verlauf der zweiten Halbzeit doch noch durchgeführt wurde, war mit dem Vorgehen der Sicherheitskräfte des Vereins zu erklären
Natürlich war jedem klar, dass dieser Auftritt Konsequenzen haben würde; nur erwarteten wir die falschen. Denn während der NOFV einige Zeit später das Verfahren gegen den SV Babelsberg 03 wegen des Abbrennens von Pyrotechnik im Stadion beim Spiel gegen den VfL Osnabrück einstellte, ging die Führungsriege des Vereins massiv zu Werke. Allen drei an der „Rucksackaktion“ beteiligten Personen (Fahrer sowie „Kuriere“) sowie einer weiteren angeblich beim Abbrennen einer bengalischen Fackel beobachteten Person wurde ein Stadionverbot bis zum Ende des Jahres 2002 ausgesprochen.
Nachdem man sich etwas ausführlicher mit der Problematik Stadionverbot insbesondere mit den immer wieder als Grundlage dienenden „Richtlinien zur Durchsetzung von Ordnung und Sicherheit im Stadion“ auseinander setzte, wurde relativ schnell klar, dass allein der Verdacht, eine im Sinne der Stadionordnung verbotene Handlung ausgeführt zu haben, ausreichend ist, um ein solches Verbot zu verhängen. Eine Regelung, die Entsetzen hervorruft, da sie den ansonsten geltenden Grundsatz der Beweisführung (in dubio pro reo) auf den Kopf stellt. Plötzlich muss der Verdächtigte seine Unschuld beweisen. Nur beweisen konnten die Fans der Nordkurve nichts, da weder einer der Rucksäcke kontrolliert wurde, noch dem an diesem Tage angeblich aktiven Pyromanen dass Alibi ausgesprochen werden konnte, er habe den ganzen Abend krank im Bett gelegen. Fassungslos ob der entstandenen Situation entschieden die mit dem Verbot belegten Fans, umgehend Einspruch einzulegen. Einige „Rechtsgelehrte“ unter den aktiven Fans vertraten allerdings sogar die Auffassung, die Schreiben hätten überhaupt keine bindende Wirkung, da sie weder unterzeichnet noch auf einem eindeutig identifizierbaren Briefbogen (sondern vielmehr auf einer abkopierten Version des selbigen) ausgefertigt wurden. Eine Brief also, zu dem wahrscheinlich jeder Sechstklässler heutzutage keine 10 Minuten bräuchte. Und auch der Wortlaut erinnerte eher an einen solchen, wobei ich mir erlauben möchte, aus einem der Briefe zu zitieren: „Der Hausrechtsinhaber und deren ausführende Organe (Ordnungsdienst) des oben bezeichneten Stadions haben wir von den gegen Sie getroffenen Maßnahmen in Kenntnis setzen lassen.“ Trotzdem wurden die Einsprüche verfasst und an die Geschäftstelle des SV Babelsberg 03 versandt.
Da die folgenden Ausführungen zum größten Teil von persönliche Aktivitäten und Erfahrungen handeln, komme ich nicht umhin, ab hier meine Sicht des weiteren Verlaufs darzustellen. Am nachfolgenden Wochenende durfte unsere Mannschaft in der Grothenburgkampfbahn zu Uerdingen auflaufen und einige wenige Nulldreier folgten ihr. Dies schien alsbald auch unseren Vereinspräsidenten zu irritieren, vielleicht fiel ihm aber auch kein besserer Einstieg für den ersten Kontakt zu den Fans ein. Er kam auf jeden Fall in den Gästeblock – permanent auf der Suche nach einem Ansprechpartner. Diesen fand er dann in LePetit und mir, wobei er eben die oben erwähnte geringe Zuschauerzahl an den Anfang der kleinen Unterredung stellte. Meine Erwiderung, dass man ja ob der momentanen Vereinspolitik nicht mit mehr Fans rechnen könne, beantwortete er mit der Feststellung, dass es notwendig wäre, einmal miteinander zu reden. Natürlich konnte ich mir da nicht verkneifen, ihm klar zu machen, dass wir auf eine derartige Unterredung bereits seit Beginn seiner Amtszeit im April diesen Jahres warten würden. Die weiteren Worte dienten dann noch dazu, halbwegs im Frieden auseinander zu gehen und man einigte sich darauf, in der nachfolgenden Woche zusammenzutreffen. Dies war auch äußerst notwendig, da eine große Zahl von Fans für den Dienstag eben dieser Woche eine Zusammenkunft anberaumt hatten, um über mögliche Protestaktionen für das Spiel gegen den SC Paderborn zu beratschlagen.
Als ich daher am Montag bei Oskar Kosche in der Geschäftsstelle anrief, um mit ihm einen möglichst schnellen Termin für die angestrebte Unterredung auszumachen, stellten wir beide fest, dass der von Dr. Marc Schulten empfohlene Termin (Mittwoch Abend) zumindest wegen der Protestvorbereitung am Dienstag eventuell zu spät sein könnte. Daher verabredeten wir, uns bereits am späten Montag Nachmittag in der Geschäftsstelle erst einmal ohne den Präsidenten zu treffen, um zumindest die grundlegenden Sichtweisen beider Seiten auszutauschen. Für das Treffen am Mittwoch einigten wir uns (auch mit dem anfangs noch per Telefon zugeschalteten Schulten) darauf, dass ich die Mitglieder des Fanbeirats zu dem Gespräch einladen werde, um den Kreis nicht zu groß werden zu lassen. Dies fand allgemeine Zustimmung und auch die Diskussion mit Oskar Kosche machte mir einigen Mut, dass die zerfahrene Situation in den Griff zu bekommen sei. Daraus, dass „in den Griff bekommen“ für mich eindeutig die umgehende Aufhebung der Stadionverbote bedeutete, machte ich keinen Hehl.
Der Dienstag erbrachte dann einige kreative Ansätze für die geplante Protestaktion. Es wurde entschieden, die Nordkurve bis 20 Minuten nach Spielbeginn zu sperren. Die Nordkurvler selbst sollten auf dem Hartplatz hinter dem Block Platz nehmen während ein Transparent in der Kurve unsere Solidarität mit den „Stadionverbotenen“ kundtat. Außerdem einigte man sich darauf, auf Pyrotechnik zu verzichten und statt dessen 2000 Wunderkerzen zu besorgen. Diese sollten einer extra für diesen Tag erscheinenden Ausgabe des Abseits mit dem Titel „Fans im ABSEITS“ beigelegt werden und im ganzen Stadion mit Beginn der zweiten Halbzeit abgebrannt werden. Dass der geplante Boykott nicht nur auf offene Ohren stoßen würde, war uns klar, aber wir hofften auf die Transportierbarkeit unseres Anliegens.
Tags darauf fand nun das Treffen mit Schulten und Kosche statt, wobei nach einigen Anfangsschwierigkeiten auch ein vernünftiger Ton zu Stande kam. Man tauschte erneut die verschiedenen Sichtweisen aus, um dann über den Umweg des zukünftigen Umgangs mit verdächtigen Personen endlich zum Schwerpunktthema des Tages zu kommen: Wie weiter mit den vier Ausgesperrten? Nach einer etwas eigenartigen Zeremonie zwischen den beiden Vereinsvertretern, die ich bis heute nicht werten kann, bot man uns den Kompromiss an, die 4 in Ungnade gefallenen für das Spiel gegen den SC Paderborn auf die Tribüne einzuladen und fast schon mit dem Ende der Diskussion kam dann auch noch die Aussage, man würde alle vier nach diesem Spiel zu einer Anhörung einladen. Eine solche nämlich hatten wir permanent gefordert und die Tatsache, dass der Verein nur auf der Grundlage von für uns nach wie vor fragwürdigen Aussagen der Sicherheitskräfte entschieden hatte, heftigst kritisiert. Nach einer derartigen Unterredung würde man dann weiter sehen.
Wenn ich ehrlich bin, war für mich die Problematik Stadionverbot zu diesem Zeitpunkt vom Tisch. Ich war fest davon überzeugt, dass nach der Anhörung die Rücknahme der Verbote folgen würde. Wären da nicht die Ordnungskräfte gewesen, deren nicht nachvollziehbaren Handlungen wir die ganze Misere erst verdankten, hätte ich wahrscheinlich gar für ein Abblasen der Protestaktion plädiert. Nach einigen verbalen Gemetzeln mit den „üblichen Verdächtigen“ im Internetforum zogen wir nun beim Spiel gegen Paderborn unsere Aktion durch.
Die Nordkurve wurde weiträumig mit Baustellenband abgesperrt. Nachdem die Ordner ein Anbringen des Bandes direkt am Zaun verboten, banden wir es uns selbst um und bildeten gar eine lebende Kette. So konnte auch gleichzeitig verhindert werden, dass einige es doch darauf anlegen könnten, in den Kurvenbereich vorzudringen. Diese von einigen nicht akzeptierte absolute Herangehensweise vertrete ich nach wie vor als den richtigen Ansatz, wobei ich auch darauf hinweisen möchte, dass wir immer wieder artikuliert haben, dass jeder der das Spiel sehen wollte, es auch sehen durfte – nur eben nicht in der Nordkurve. So erfolgreich die Sperrung als solche war, so enttäuschend war zugegebenermaßen die Zahl derer, die sich hinter dem Block auf dem Hartplatz einfanden. Ich kann die Begründung, „wenn die mit dem Stadionverbot das ganze Spiel sehen dürfen, dann möchte ich dies bitte auch tun“ bis heute nicht akzeptieren. Aber immerhin waren die, die sich zum wahren Protest bereit erklärten so gut drauf, dass einige dann doch noch den Weg nach unten fanden. Während der 20minütigen Aktion flogen immer wieder mitgebrachte Rucksäcke vom Hartplatz in den Bereich der Nordkurve. Extra autorisierte Personen durften diese dann aus dem ja eigentlich gesperrten Block wieder herausholen und die Werferei begann von neuem. Ob wir damit auch nur irgend einem der Ordner klar machen konnten, wie lächerlich ihre Aktion gewesen war, ist mir bis heute nicht bekannt. Aber vielleicht hat ja manch anderer seine schnell gefasste Meinung etwas revidiert.
Nach 20 Minuten und der Erkenntnis, dass wir nach einem 1:0 Rückstand kurioserweise mit 2:1 führten, genossen wir den Rest der ersten Hälfte wieder wie gewohnt im Block. Als zu Beginn der zweiten Halbzeit dann die Wunderkerzen gezündet wurden, sah es für einen Moment lang so aus, als würde auch diese Aktion erfolgreich über die Bühne gehen. Als aber die ersten abgebrannten Kerzen über den Zaun auf den Rasen flogen, war dieser Eindruck schnell Geschichte. Wie dumm muss man heutzutage denn noch denken, um alle Eventualitäten durchzuspielen, die geschehen können. Natürlich hätte man damit rechnen müssen, dass Wurfgeschosse in der Hand von Wurfwilligen auch als genau solche verwendet werden. Und der dann eingesetzte Herdentrieb könnte für jede Sozialwissenschaftsvorlesung herangezogen werden. Die Spieler fanden das ganze wohl auch nicht so toll und das Ende vom Lied war, dass uns Initiatoren der Protestaktion vorgeworfen wurde, schuld an dem noch schlussendlich kassierten Ausgleich zu sein. Die wohl einzige positive Erkenntnis aus dieser Wunderkerzen-Manie war wohl, dass so etwas beim kontrollierten Abbrennen unserer Pyromanen eben nicht passiert wäre. Aber damit wird man wohl auch niemanden davon überzeugen können, wie verantwortungsvoll in der Babelsberger Fanszene mit dem Thema Pyrotechnik normalerweise umgegangen wird.
Da es uns ja auch gerade nicht darum ging, den großen Feldzug gegen den DfB zu beginnen (obwohl einige dies vehement forderten), sondern die eigene Vereinsführung das Ziel unserer Kritik war, warteten wir nun auf den Ablauf der Anhörungen am nachfolgenden Freitag. Schon am Tag zuvor wurde klar, dass der Verein diese nicht auf die leichte Schulter nehmen würde. Aber die 4 „Tribünensteher“ hatten ja nichts zu befürchten; sie hatten ja nichts verbrochen. Was sich allerdings dann wirklich im VIP-Raum des Stadiongebäudes abspielte spottet jeder Beschreibung. Ich weiß nicht, wer auf die Idee kam, aus einer Anhörung ein Verhör zu machen. Fünf mehr oder weniger Mitglieder des Vorstandes baten sich jeweils für etwa eine halbe Stunde einen der Tatverdächtigen zur „Inquisition“.
Ich traute meinen Ohren nicht, als das erste Opfer den Raum verließ und den Ablauf schilderte. Einer der Vorstandsmitglieder habe die gesamte Zeit einen Stapel Fotos durchgesehen. Auf dem Tisch lag ein Video mit der sinngemäßen Aufschrift „SVB 03 – VfL Osnabrück: Perspektive Nordkurve“. Die Möglichkeit, dieses Video als Beweis zu verwenden, wollten die Vereinsobersten allerdings nicht nutzen. Auch auf die Gefahr hin, jetzt gleich am Rande einer Beleidigung zu stehen und damit Konsequenzen erwarten zu müssen, kann ich nicht umhin, festzustellen, dass gerade einem ex-DDR-Bürger derartige Verhörmethoden nicht ganz unbekannt sind. Da es sich hierbei aber um eine freiwillige Darstellung des Sachverhaltes aus der Sicht der Beschuldigten handeln sollte, erscheint mir diese Art “Anhörung” als völlig unangemessen. Gerade wenn man bedenkt, dass eine der vier Personen eine 17jährige Schülerin ist, die noch niemals zuvor (aufgrund bspw. fehlender Prüfungserfahrungen) eine derartige Konfrontation durchmachen musste. Spätestens in diesem Augenblick hatte ich den letzten Respekt vor denen, die im Moment den Verein führen verloren. Auch die anderen „Kriminellen“ waren entsetzt über die Behandlung und gingen allesamt fest davon aus, dass diese nur bedeuten konnte, dass man die Verbote aufrecht erhalten würde. Ich für meinen Teil glaubte aber nach wie vor daran, dass man nach Auswertung der Gespräche die Stadionverbote zurücknehmen würde.
Wie falsch ich damit lag, stellte ich eine Woche später auf der Fahrt nach Köln fest, wobei es zum vorerst letzten Berührungspunkt bezüglich der „Stadionverbote“ kommen sollte. Eine der mitreisenden Personen (das Verbot galt ja nur für das Karl-Liebknecht-Stadion) erhielt den Anruf, im heimischen Briefkasten wäre ein Schreiben des SV Babelsberg 03 eingegangen. Nachdem dieses dann während des Telefongesprächs geöffnet und verlesen wurde, hatte nun auch ich naiver Tagträumer die Gewissheit, dass sich an der Situation nichts ändern sollte. Dem Brief war zu entnehmen, dass man nicht den Eindruck gewinnen konnte, die verdächtigen Personen hätten sich zu jeder Zeit entsprechend der Stadionordnung verhalten und man belasse es daher bei der bekannten Strafe. Man bot den „Verbotenen“ allerdings an, die Zeit der Aussperrung zu verkürzen, wenn sie bereit wären, gemeinnützige Arbeit bspw. im Kinderheim „Eva Laube“ abzuleisten. Gerade dieser Aspekt scheint mir aufgrund der parallelen Verwendung im Strafrecht nicht nur fragwürdig, sondern ich empfinde es als bodenlose Frechheit, eine Person, der man nicht das geringste nachweisen kann, wie einen kriminellen Straftäter zu behandeln. Nur weil diese ihrerseits ebenso wenig im Stande ist, den Sachverhalt unumstößlich dokumentieren zu können.
Die vier haben das Angebot – für mich nachvollziehbar – sofort abgelehnt, da eine Inanspruchnahme dieses lächerlichen „Entgegenkommens“ ja einem Schuldeingeständnis gleich gekommen wäre. Und da sich keiner etwas zu Schulden kommen lassen hat, ist auch keiner bereit, für irgend etwas gerade stehen zu müssen.
Nichtsdestotrotz soll hier aber nicht verschwiegen werden, dass sofort eine breite Bereitschaft unter den Nordkurvenfans zu erkennen war, sich an einem Einsatz im Kinderheim „Eva Laube“ zu beteiligen. Dies wird aber definitiv erst passieren, wenn die Zeit des Stadionverbots abgelaufen ist, um keine Verwischung der Handlungen zu ermöglichen.
Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass sich gerade der zweite Teil meines Berichts sehr stark auf persönliche Eindrücke stützt. Ich will ihn daher nicht als allumfassende und alleingültige Abhandlung der Ereignisse verstanden wissen. Ich denke aber, dass für den Leser unschwer zu erkennen sein wird, wie willkürlich hier mit den vier „verdächtigen Personen“ umgegangen wurde. Ich habe schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass ich zwar - da Fußballfan - als Zeuge wahrscheinlich nicht sehr glaubhaft sein werde, dass ich aber meine eigene Sicht der Dinge auf die diversen Erlebnisse und Beobachtungen gerade während des Spiels gegen den VfL Osnabrück stützen kann. So sind mir zum Beispiel die Taten des angeblichen „Fackelträgers“ noch sehr gut in Erinnerung. Während der dann doch durchgeführten Aktion mit Transparenten und Fackeln, hätte ich mich normalerweise wieder Richtung Zaun begeben müssen, um eines der Transparente mit festzuhalten. Auf dem Weg dorthin stellte ich fest, dass die entsprechende Person meinen Fanclubmitglieder beim Anheben des Transparents behilflich war. Dies geschah vom Boden aus. Danach bewegte er sich an seinen zuvor eingenommenen Platz auf einer den unteren Stufen zurück. Die Pyroshow war zu diesem Zeitpunkt aber schon in vollem Gange. Ergo kann jene Person nicht wie behauptet, mitsamt einer brennenden Fackel, auf dem Zaun gesehen worden sein. Dies wird aber von den Ordnungskräften in dreifacher Ausführung bezeugt. Wenn ich mir diese Situation vor Augen führe, dann erscheint mir auch die Aussage der Sicherheitskräfte auf dem Hartplatz, sie hätten die „Rucksackkuriere“ laut und deutlich zum „Stehenbleiben“ aufgefordert, in einem anderen Licht und man muss sich seitens des Vereins fragen, ob man nicht auf das falsche Pferd gesetzt hat, als man die Aussagen der beiden beteiligten „Fronten“ gegeneinander abgewogen hat. Vielmehr kann man sich allerdings des Eindrucks nicht erwähren, dass hier bewusst der Verlust von einigen Fans gegen den einiger Ordner abgewogen wurde.
Genau aus diesem Grund fordere ich die Vereinsführung nochmals dazu auf, die Verbote zurückzunehmen und die 4 Personen offen zu rehabilitieren. Dazu gehört für mich auch eine Entschuldigung bei den zu Unrecht „verurteilten“. Mal sehen, wie viel Charakter die Mitglieder unseres Führungsgremiums haben.

Chrischan

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die opfer

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