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Die Verbände eliminieren den Wettbewerb
Im Zuge der Strukturreform der DFL hatte Union Berlin in einem viel beachteten Thesenpapier auf grundlegende Mängel der deutschen Fußballgemeinschaft hingewiesen. Fehlende Chancengleichheit und mangelnde Basis-Nähe bedrohen die Wettbewerbschancen und die Attraktivität. Doch nicht nur in den ersten beiden Ligen bilden sich die Strukturprobleme ab.
Weiterhin schwelt die Debatte um den Unterbau des deutschen Fußballs. Zahlreiche Drittligisten befinden sich trotz weiterer Professionalisierung in einer prekären Situation, die mit dem Sprichwort „Zum Leben zu wenig – zum Sterben zu viel“ ganz gut überschrieben ist. Insolvenzen in Erfurt, Chemnitz und Aalen, massive Sorgen in Kaiserslautern und Zwickau. Laut Ligareport haben 15 Vereine der Dritten Liga 2017/18 einen Fehlbetrag verzeichnet, nur vier Clubs erwirtschafteten Überschüsse. Dass die Reserve von Werder Bremen nicht mitbetrachtet wird, spricht Bände. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass die Drittligisten sich vom DFB hinter die Fichte geführt fühlen, als sie im Rahmen der Debatte über die Regionalliga-Reform einem vierten Abstiegsplatz zustimmten.
Derweil schiebt der DFB das Problem an die Regionalverbände ab. Angesichts der machtbewussten Regionalfürsten aus dem Westen und Süden (Bayern lehnt sich genüsslich zurück), sind der Norden und der Nordosten gefordert , die Quadratur des Kreises zuwege zu bringen. Wegen der Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens verfolgt man vielerorts in der Vierten Liga eine andere Strategie. Allerdings löst auch eine Drittliga-Staffel mit 22 Mannschaften und fünf Absteigern das Problem der Regionalligen nur ansatzweise. Immerhin könnte man der Prämisse „Meister müssen aufsteigen!“ Rechnung tragen.
Vor dem Hintergrund des übergroßen Gefälles der Leistungskraft in den vierten Ligen zwischen Traditionsvereinen und Dorfclubs dürfte aber auch zukünftig frühzeitig Langeweile herrschen, wenn sich lediglich der Meister für eine erfolgreiche Saison belohnen kann. Es bleibt schwer vermittelbar, wieso es in der ersten Liga mit Meisterschaft und Qualifikation für den internationalen Wettbewerb sechs Belohnungsplätze gibt, in der zweiten und dritten Liga jeweils immerhin noch zwei Aufstiegsplätze und einen Play-Off-Platz gibt, die vierte Liga sich aber mit nur einem einzigen Belohnungsplatz abfinden muss. Frühzeitige Entscheidungen und mangelnde Attraktivität der Ligen sind so vorprogrammiert. Wenn sich dann noch insolvente Clubs mit Unterstützung durch die Verbände durch Ausgliederung und unmittelbare Neuverschuldung eine wettbewerbswidrig verbesserte Ausgangsposition verschaffen dürfen, fühlen sich die übrigen Vereine und vor allem die Aktiven zurecht um eine echte Chance betrogen.
Aber nicht nur mit der schwachen Performance in der Strukturdebatte über die Wettbewerbspyramide sind die Verbände weit weg von den tatsächlichen Problemen der Vereine. Auch das Bild, dass DFB und NOFV in der gegenwärtigen Debatte um Manipulationsversuche in der Regionalliga Nordost abgeben, ist einfach jämmerlich. Als fußballinteressierter Betrachter wundert man sich eigentlich nicht mehr über Ausflüchte, Fehlinformationen und mangelnde Transparenz. Die öffentlichen Einlassungen von Verbandsfunktionären zur versuchten Einflussnahme auf das Spiel Babelsberg 03 vs. Germania Halberstadt, die der Halberstädter Sportdirektor Andreas Petersen bereits mehrfach – und mit unterschiedlichsten Ausflüchten - öffentlich eingestanden hat, sind einfach unerträglich. Man müsse abwarten, was die Ermittlungen ergeben. Petersen sei ein Ehrenmann. Weil man Herrn Petersen recht gut kenne, dürfte es keine Vorverurteilung geben. So ließen sich der Geschäftsführer des NOFV Fuchs und Präsident Bugar ein. Und die Statements der DFB-Vertreter Grindel und Koch sind lediglich geeignet, dass Thema beim NOFV weiter unter der Decke zu halten.
Über zwei Monate hatte der NOFV Zeit, festzustellen, dass völlig unabhängig von der Motivation Petersens die durch ihn bereits eingestandene Kontaktaufnahme mit Spielern des sportlichen Gegners unmittelbar vor dem Spiel eine krass sportwidrige Handlung darstellt. Im richtigen Leben würde Petersen für dieses Verhalten bis zur Aufklärung der Vorwürfe gesperrt werden. Wäre Germania Halberstadt wirklich an einer Aufklärung interessiert, würde man Petersen im eigenen Interesse vorläufig beurlauben. Doch statt dessen üben die Verantwortlichen den Schulterschluss. Schließlich ist Petersen Vati eines DFB-Auswahlspielers und nach eigener Aussage seit über dreißig Jahren sauber.
Vom Verband kommen derweil weiter widersprüchlichste Aussagen. Petersen sei ja nur ehrenamtlich tätig, deshalb sei sein Verhalten Germania Halberstadt nicht zuzurechnen und das Verfahren gegen den Verein würde eingestellt. Man arbeite an einer Terminfindung für die weitere Einvernahme von Zeugen. Es darf bezweifelt werden, dass weitere Zeugen diesem Verband dabei helfen, mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Vielmehr hat man offenkundig nur Interesse, die eigenen Erbhöfe zu sichern und das System zu schützen. Es wird weiter auf Zeit gespielt und eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Es bleibt letztlich wohl nur die Hoffnung, dass die Staatsanwaltschaften die Angelegenheit mit der notwendigen Objektivität und der erforderlichen Konsequenz behandeln. Ob dies die Integrität des sportlichen Wettbewerbs allerdings wiederherstellt, ist beim gegenwärtigen Agieren der Verbände leider stark anzuzweifeln.