Archiv

Babelsberg 03 im Nationalsozialismus

Die Erkenntnisse der Recherchegruppe „Babelsberg 03 im Nationalsozialismus“ wurden als Audio-Interview mit zwei Mitgliedern der Recherchegruppe veröffentlicht und dann als Textbeitrag auf der Homepage des SV Babelsberg 03 publiziert.[1] Im Folgenden berichteten die PNN, der RBB und die Junge Welt über die Erkenntnisse der Recherchegruppe. Der Tenor der Medienberichterstattung folgte entsprechend der Aufbereitung durch die Recherchegruppe mit folgenden Überschriften:

»Erschreckend«: Der SV Babelsberg 03 in der Nazizeit (Junge Welt, 26.11.2020)[2]

NS-Vergangenheit des SV Babelsberg 03: Als Nulldrei gegen Hitlers Leibstandarte spielte (PNN, 23.11.2020)[3]

SV Babelsberg 03 während der NS-Zeit "Was bedeutet dieses Spiel gegen Hitlers Leibstandarte?" (RBB, 24.11.2020)[4]

Wesentlicher Inhalt der Ergebnispräsentation und der Berichterstattung ist die Empörung über eine vermeintlich unbekannte Verstrickung des SV Nowawes 03 (SVN 03) bzw. des SV Babelsberg 03 (SVB 03) mit dem NS-Regime. Doch ist die Empörung berechtigt? Sind die Erkenntnisse neu? War der SVN bzw. später der SVB über das „übliche“ Maß mit dem NS-Regime verstrickt?

Grundlage der präsentierten Recherche-Ergebnisse ist nach Darstellung der Recherchegruppe das Buch „Fußball in Nowawes und Babelsberg seit 1903“ von Klaus Gallinat, dass 2020 im Klaus Becker Verlag erschienen ist.[5] Wesentliche Teile des Buches basieren auf der Zusammenarbeit mit dem leider bereits verstorbenen Peter Rosenzweig (geboren 02.10.1928)[6], dem wichtigsten Chronisten des Babelsberger Fußballs, der die Nazi-Zeit als Jugendlicher erlebte und dessen Erinnerungen das Zeitgeschehen überwiegend authentisch wiedergeben dürften. Weitere Quellen der Recherche werden nicht genannt.

1.    Einordnung in den politischen Kontext der Zeit

Will man den SV Nowawes 03 zu Beginn der Nazi-Herrschaft richtig einordnen, muss man das politische Umfeld in der Stadt Nowawes berücksichtigen. Nowawes war als Textil- und später Industriearbeiterstadt mit rund 30.000 Einwohnern proletarisch geprägt. Bei der staatlichen Obrigkeit hatte Nowawes den Ruf, aufrührerisch und revolutionär zu sein. Dies wurde besonders in der gewerkschaftlichen und politischen Auseinandersetzung deutlich. Die Geschichtswerkstatt „Rotes Nowawes“ hat dieses Selbstverständnis gut zusammengefasst:

Während Potsdam für eine traditionelle Beamten- und Soldatenkultur stand, geprägt durch das königliche und militaristische Preußen, entwickelte sich auf der anderen Seite der Havel eine starke Arbeiter*innenbewegung heraus, die parteipolitisch vor allem in der SPD, USPD und später in der KPD sowie in einer Vielzahl von Kultur-, Sport- und Wohlfahrtsvereinen organisiert war. Das „Rote Nowawes“ machte seinem Namen alle Ehre. Sich hier zu den Nationalsozialisten zu bekennen, konnte durchaus gefährlich für das leibliche Wohl sein.[7]

Die proletarische Prägung von Nowawes spiegelte sich auch in den Wahlergebnissen zum Reichstag. Bis 1930 waren SPD (rund ein Drittel der Stimmen) und KPD (rund ein Viertel der Stimmen) unangefochten stärkste Parteien. Zwischen 1930 und 1933 konnte die NSDAP aber ihren Stimmenanteil in Nowawes von 11,3 % (1930) auf 33,3 % (1933) steigern.[8] Dennoch behielten die „linken“ Parteien SPD / KPD in Nowawes die Mehrheit. Die Bewertung des SVN / SVB kann bzw. muss auch vor diesem Hintergrund betrachtet werden. Damals dürfte ähnlich wie heute gegolten haben, dass Fußballvereine mit großer Popularität, einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden und durch die politischen Eliten zwecks Eigenmarketing gefördert wurden.

Aus den vorliegenden Unterlagen lassen sich vor der Machtübernahme der Nazis im Frühjahr 1933 für den SVN zunächst keine unmittelbaren Sympathien für oder Einflüsse aus dem nationalsozialistischen Spektrum ableiten. Die vorliegende Festschrift zum 25jährigen Vereinsjubiläum des SVN 1928 geht auf vielfältige sportliche Aktivitäten des Vereins ein, bietet aber keine Anhaltspunkte für eine politische Einflussnahme oder besondere politische Meinungsbildung.

Im Vorwort der Festschrift des Vereinsvorsitzenden Bruno Arnold heißt es:

„Mit dem heutigen Abend geht unser 25. Vereinsjahr zu Ende und ein Vierteljahrhundert mühevoller Vereinsarbeit, die von Idealisten freudig und gern geleistet wurde, liegt hinter uns.

Wie überall, so war auch bei uns ein wechselndes Kommen und Gehen und viele, die einst zu uns zählten, sind leider abtrünnig geworden. Aber trotz aller Stürme und Gefahren, die der Verein in den langen Jahren durchmachen mussten, sind uns noch Gründer der beiden Stammvereine treu geblieben. Es sind die vom „Sportklub Jugendkraft 03 e.V.“ die Sportskollegen: Wilhelm Heinrich und Paul Krüger, und vom „Fußballklub Fortuna 05“ die Sportskollegen: Emil Pöser, Fritz Puppe und Wilhelm Freidank.

Unter Zurücksetzung ihrer persönlichen Bedürfnisse arbeiten heute, wie auch früher schon, ein Teil der Sportskollegen, um den Verein höher und höher zu bringen. Ihr anderen aber erleichtert diesen Leuten ihre Arbeit durch pünktliches Zahlen der Beiträge, Besuch der Vereinsveranstaltungen und arbeitet mit am Aufbau des Vereins. Haltet keine Stammtischreden, sondern geht in die Versammlungen und sagt frei und offen Eure Meinung ohne Gehässigkeit, damit der für Euch arbeitende Vorstand die ganze Meinung des Vereins kennt. Gleichgesinnte und sportfreudige Menschen müsst ihr dem Verein zuführen und stets auf die Heranbildung eines guten Nachwuchses bedacht sein. So werden wir unserem Ziele näher kommen und voll freudiger Hoffnung in die Zukunft blicken können.

Alle guten Wünsche fasse ich in dem Ruf zusammen: Dem „Sportverein Nowawes e.V.“ auf ferneres Blühen und Gedeihen ein dreifach donnerndes Gut Sport –Gut Sport – Gut Sport![9]

2.    Erfolgreiche Jahre und nationaler Geist

Das Kapitel für die Jahre1931 bis 1935 im Buch von Klaus Gallinat ist mit der Zwischenüberschrift „Die Jahre der ersten Erfolge“ überschrieben. Beim Recherche-Team heißt es:

„Zwischen 1931-1935 brachen die ersten erfolgreichen Jahre des Vereins an. 1933-1935 marschierte der Verein (damals unter dem Namen SV Nowawes 03) von der dritthöchsten in die höchste Spielklasse (Gauliga) durch. Der Stadtrat von Nowawes zeigte sich dabei hocherfreut über den „nationalen Geist von Nowawes 03“.“

Diese Einschätzung scheint durch die Quellenlage in dieser Form nicht umfänglich gedeckt bzw. stark verkürzt. In den Jahren vor der Machtübernahme der Nazis war Nowawes 03 nach dem Abstieg in die Drittklassigkeit 1930/31 in die zweite Spielklasse zurückgekehrt und belegte am Ende der Spielzeit 1932/33 (letzter Spieltag am 25. Mai 1933) in der zweitklassigen Kreisliga Berlin-Brandenburg, Staffel Nordkreis, den vierten Platz. Dank besserer Integration junger Spieler und größerer Spielstärke hatte man beim SVN zum Jahreswechsel 1932/33 schon von höheren Aufgaben geträumt.

Doch die Machtübernahme der Nationalsozialisten von Januar bis März 1933 änderte die Ausgangssituation nachhaltig. Bei der mit der politischen Gleichschaltung verbundenen Neuordnung der Spielklassen wurde Nowawes 03 für die Spielzeit 1933/34 nicht für die zweite Spielklasse berücksichtigt, sondern in die dritte Klasse zurückversetzt. Wie auch anderenorts war ein Kriterium für die Einordnung bzw. Berücksichtigung die politische Haltung[10]. Und gegen Nowawes 03 sprach aus Sicht der Nazis mindestens die politische Haltung der Nowaweser Bevölkerung. Die Einschätzung von Peter Rosenzweig sollte man nicht unter den Tisch fallen lassen.

„Tabellenplätze waren für die Einstufung nicht allein ausschlaggebend, größere Städte sollten vertreten, doch vor allem „innere Werte“ eines Vereins mußten vorhanden sein, kein Zweifel, daß damit die „nationalsozialistische Ausrichtung“ gemeint war, und die erschien den Entscheidungsbefugten bei Nulldrei unzureichend. Den Zuschlag für die Bezirksklasse erhielten, obwohl schlechter platziert, die Sportfreunde Potsdam - wahrhaftig eine schöne „Ehrung“ zum dreißigsten Vereinsjubiläum der Nulldreier.“[11]

Der SVN war nach den bekannten Quellen kein Hort des Widerstands gegen die Nazi-Partei und ihre Politik. Der Verein hatte sich aber nach bisherigem Kenntnisstand auch nicht in besonderer Weise als Unterstützer der NSDAP hervorgetan. Vielmehr ist die Rückversetzung in die dritte Spielklasse ein Indiz für die Distanz oder ein fehlendes Bekenntnis zu den neuen Machthabern, dass auch in der Herkunft des Vereins aus dem „Roten Nowawes“ begründet sein könnte.

Auch die Satzungsänderung im Jahresverlauf 1933 kann für sich genommen kein zwingendes Indiz für Sympathie oder besondere Nähe zum System interpretiert werden. Wie nahezu alle Vereine, die nicht verboten wurden oder sich nicht selbst auflösten, wurde das Führerprinzip in der Satzung eingeführt. Bei Nowawes 03 geschah dies in der Mitgliederversammlung am 5. August 1933. Wie in vielen anderen Vereinen wurde der bisherige Vorsitzende Bruno Arnold zum Vereinsführer bestimmt. Das folgende Zitat findet sich im Protokoll der Mitgliederversammlung:

„Herr Stadtrat Pichottka [NSDAP-Stadtrat] war hocherfreut über den nationalen Geiste innerhalb des S.V.N. 03 und verabschiedete sich vom Verein und seinem Führer Bruno Arnold mit einem "Heil Hitler".“[12]

In der wissenschaftlichen Forschung über die die „Gleichschaltung“ des Fußballsports im Nationalsozialismus wird dargestellt, dass so genannte „Ergebenheitsadressen“ an das Regime keineswegs in jedem Falle mit konkreten oder besonders hervortretenden politischen Aktivitäten verbunden waren. Grußadressen im Sinne der oben stehenden Protokollnotiz waren durchaus öfter auch aus der Sorge vor Verboten motiviert, wie sie konfessionelle, politische oder proletarische Vereine erdulden mussten.[13]

Auch die Tatsache, dass Nowawes 03 im Januar 1934 auf der folgenden Jahreshauptversammlung die Satzung erneut änderte, dabei strengere Vorschriften für die Aufnahme, aber keinen sogenannten „Arierparagraphen“ einführte[14], spricht nicht für eine überdurchschnittliche nationalsozialistische Einstellung. Besonders „motivierte“ Vereine hatten schon im Frühjahr 1933 auf eigene Initiative und ohne staatlichen Druck so genannte „Arierparagraphen“ eingeführt.

Insgesamt ist für 1933 zunächst keine besondere Systemnähe oder Sympathie mit den Nationalsozialisten aus den Quellen abzulesen. Dies dürfte sich mit dem zunehmenden Erfolg der Mannschaft durch zweimaligen Aufstieg geändert haben. Nach Peter Rosenzweig trachteten die Machthaber danach, an der wachsenden Popularität des SVN teilzuhaben. Dies dürfte in der Folge auch zu einer verstärkten Förderung geführt haben.

3.    Concordia Nowawes als Gegenentwurf

In Bezug auf den zweiten beleuchteten Verein Concordia Nowawes schreibt die Recherche-Gruppe zutreffend über das Verbot aller Arbeitersportvereine, stellt dies aber im Folgenden in einen Gegensatz zum weiterexistierenden Verein Nowawes 03, der sich (vermeintlich oder tatsächlich) mit dem Regime arrangierte.

"Wichtig ist auch der Blick auf den zweiten Verein in Babelsberg zur damaligen Zeit, der ASV Concordia Nowawes 06. Während nämlich der SV Nowawes 03 eher dem bürgerlichen Spektrum zuzuordnen war, war der ASV Concordia Nowawes 06 der Arbeiter_innenverein in Babelsberg. Schon kurz nach der Machtübernahme der Nazis wurde die Concordia im Gegensatz zum SV Nowawes 03 von den Nazis im Zuge der Gleichschaltungspolitik verboten. Der SV Nowawes 03 konnte somit also nur weiterexistieren, weil er sich mit den Nazis zumindest arrangierte."[15]

Diese pauschale Aussage erscheint vor dem Hintergrund der vorliegenden Quellen fragwürdig. Turnen und Sport waren in der Zeit der Weimarer Republik in unterschiedliche Verbände aufgesplittet. Die Vereine standen untereinander in ideeller, aber auch in materieller und sportlicher Konkurrenz. Es gab konfessionelle Sportvereine, parteipolitisch orientierte Vereine und die parteipolitisch neutralen, bürgerlich-national ausgerichteten Vereine. Zu letzteren gehörten auch die Vereine der Deutschen Turnerschaft (DT) und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) als mitgliederstärkste Organisationen. Die Konkurrenz zwischen Vereinen belegt auch die Aussage des späteren Rotation-Kapitäns Heinz „Schupo“ Tietz: Der 1919 in Nowawes geborene Mittelfeldspieler trat 1929 mit zehn Jahren dem kommunistischen Rotsport-Verein Concordia 06 bei. Die bürgerlichen Nulldreier (im Jargon „Blaupfeiffer“) kamen nicht in Frage. „Mein Vater hätte mir in den Arsch getreten!“ so Tietz, „So kam das gar nicht in Frage.“[16]

Während Nowawes 03 im bürgerlichen Verband Berliner Ballspielvereine (VBB) am DFB-Spielbetrieb teilnahm, war Concordia Teil der Arbeitersportbewegung. Concordia 06 und die Freien Turner hatten sich ab Mai 1919 als Freie Turn- und Sport-Vereinigung Nowawes von 1894 zusammengetan und in dieser Form am Spielbetrieb des Verbandes „Märkische Spielvereinigung (MSV)“ teilgenommen, der zum „Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB)“ gehörte. Die Spaltung des Arbeitersports 1928 führte auch im Arbeitersport von Nowawes zum Bruch. Ein Teil der FTSVgg Nowawes 94 blieb dem ATSB treu, aber ein erheblicher Teil der Mitglieder und der größere Teil der Fußballsparte fühlten sich zur Opposition hingezogen und gründeten 1928 den ASV Concordia 06. Die aus dem ATSB ausgeschlossen Vereine organisierten sich neu unter dem Dachverband der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit, dem so genannten Rotsport. [17]

Mit der Machtergreifung der Nazis im Januar 1933 wurde die Gleichschaltung des Sports unmittelbar betrieben. Die Meisterschaft der Märkischen Spielvereinigung wurde im Februar 1933 abgebrochen, während die Saison im VBB zu Ende gespielt werden durfte. Im März 1933 erfolgte das Verbot der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit und aller angeschlossenen Vereine einschließlich des ASV Concordia 06 Nowawes.[18]

Sehr wahrscheinlich war Nowawes 03 als bürgerlicher Verein dem Nazi-Regime „näher“ als der Arbeiterverein Concordia[19], konkrete Belege oder Quellen für eine besondere Nähe des SVN zu den nationalsozialistischen Machthabern gibt es aber bisher für diesen Zeitraum nicht.

Im Gegensatz zum vergleichenden Ansatz des Recherche-Projektes – bei Nowawes 03 Arrangement mit den Nazis – bei Concodia Nowawes Verbot – muss in Bezug auf Concordia erwähnt werden, dass die folgende Neugründung von Concordia 06 als Eintracht 06 Nowawes in dem vom Recherche-Projekt verstandenen Sinne ebenfalls als Arrangement mit dem Regime interpretiert werden könnte.

Nach Klaus Gallinat bzw. Christian Wolter beantragte Concordia schon im April 1933 eine Aufnahme in den VBB (bürgerlicher Verband Brandenburgischer Ballspielvereine) und bereits am 24. Mai 1933 trafen Nowawes 03 und Concordia / Eintracht Nowawes 06 in einem Freundschaftsspiel aufeinander.[20] Zuvor hatte Concordia illegal im Babelsberger Park gespielt.

Möglich wurde die Wiederzulassung als Eintracht 06 Nowawes zur Spielzeit 1933/34 (?) durch die Unterstützung des neuen Vorsitzenden Willi Fischer, der durch die Nazis als Vereinsführer akzeptiert wurde. Nach Schupo Tietz musste Fischer hierfür zunächst erst einmal in die NSDAP eintreten.[21]

4.    Weitere Interpretationen

Im Folgenden wird durch das Recherche-Projekt ein Zusammenhang zwischen Militärangehörigen in den Reihen der ersten Mannschaft und der nationalsozialistischer Einstellung des Vereins sowie seiner Anhänger dargestellt.

Nach einem Spiel gegen Hertha BSC 1934 im Babelsberger Lindenpark posierten die Spieler auf einem Foto mit Uniformen der SS und der NSDAP. Dies ist ein Indiz, dass sich der Verein schon sehr früh mit der Ideologie des NS anfreundete und somit für Juden_Jüdinnen sowie anderen vom NS verfolgten oder dem NS ablehnenden Gruppen ein unattraktiver Verein war.

[…]

Ab dem Jahr 1935 wurde in Deutschland die Wehrpflicht wieder eingeführt, weshalb viele Spieler des Vereins in Potsdam stationierte Soldaten waren. Der Spieler Karl Bertram beispielsweise war Teil der Legion Condor, einer deutschen Luftwaffeneinheit zur Unterstützung des spanischen Diktators Franco und fiel im dortigen Bürgerkrieg. Doch nicht nur die Spieler waren überzeugte Nationalsozialisten. Ab 1936 war der hohe SA-Funktionär Dr. Walter Sehring Vereinsführer. Ebenso darf davon ausgegangen werden, dass die Anhänger_innenschaft nationalsozialistisch eingestellt war. [22]

Die durch das Recherche-Projekt gezogenen Schlussfolgerungen aus einem Foto, bei dem ein Teil der Spieler Uniform trägt sowie aus der Tatsache, dass Nazi-Funktionäre als Vereinsführer eingesetzt wurden und Soldaten für den SVN 03 spielten, erscheinen mindestens fragwürdig. Aus den bisher bekannten bzw. durch das Recherche-Projekt benannten Quellen lassen sich Zusammenhänge beispielsweise zur konkreten politischen Einstellung der Spieler oder der Anhänger nicht ableiten.

Es gibt beispielsweise auch eine Fotomontage der Potsdamer Tageszeitung mit den Spielern der Gauliga-Mannschaft 1935/36. Unter der Schlagzeile „Elf Freunde müßt ihr sein! Wir stellen vor: Nowawes 03, Berlins jüngstes Fußball-Gauliga-Mitglied“ trägt nur ein Spieler Uniform, alle anderen Spieler werden als Arbeiter, Handwerker und Angestellte, vermutlich in ihren jeweiligen bürgerlichen Berufen dargestellt. Würde man auf ähnliche Weise schlussfolgern wie das Recherche-Projekt, wären die Nulldrei-Spieler nahezu ausnahmelos der Arbeiterklasse zuzurechnen und dies wäre ein Indiz für den antifaschistischen Widerstandskampf. Diesen Gedanken würde man zurecht ins Abwegige verweisen.

Wie bereits erwähnt, ist nicht zu vermuten, dass Nowawes / Babelsberg 03 ein Hort des Widerstands war oder auch nur ansatzweise oppositionelle Auffassungen vertreten oder verfolgten bedrohten Menschen geholfen haben könnte. Vielmehr liegt leider die Vermutung nahe, dass sich der Verein bewusst oder unbewusst für den sportlichen Erfolg im Sinne der Nazi-Führung instrumentalisieren ließ.

Die durch das Recherche-Projekt oben dargestellten Argumente belegen in keinem Fall, dass Spieler oder Anhänger dem Nationalsozialismus kritisch gegenüber standen. Aber die angeführten Argumente sind auch kein belastbarer Beleg für eine besondere Nähe oder Sympathie der Spieler oder der Anhänger zum faschistischen System. Hier wäre weitere Aufklärung durch Recherche belastbarer Quellen oder Zeitzeugen-Aussagen überaus wünschenswert.

5.    Schlussbemerkung

Es ist überaus wichtig, dass Licht in diese dunkle Zeit gebracht wird. Deshalb ist das Recherche-Projekt ausdrücklich zu begrüßen. Es ist aber auch wichtig, dass die Einordnung und Bewertung nicht auf Aufmerksamkeitseffekte zielt, sondern das darstellt und bewertet, was durch Quellen belegt ist. Die Recherchegruppe stellt abschließend fest:

Bis in den Januar 1945 hinein wurden Spiele des Vereins ausgeführt, um die Moral der Bevölkerung zu bewahren.[23]

Das letzte Punktspiel des SVB 03 fand tatsächlich am 07. Januar 1945 gegen die SG der Ordnungspolizei Berlin statt. Am 04. März 1945, acht Wochen vor Kriegsende, gab es ein letztes Freundschaftsspiel zwischen Nulldrei und Eintracht 06. Am 08. April 1945, einen Monat vor der Befreiung, fand das letzte Fußballspiel von Union Potsdam gegen eine Wehrmachtsauswahl statt.[24] Den Vorwurf des Recherche-Projektes, das Fußballspiel sei ausschließlich zur Aufrechterhaltung der Moral betrieben worden, muss man wohl allen beteiligten Mannschaften machen. Dann befindet sich Nulldrei zumindest in guter Gesellschaft.

Es wäre überaus erfreulich, wenn die Recherchen weitere interessante und neue Erkenntnisse ergeben sowie schlüssig und quellenbasiert in den historischen Kontext eingeordnet werden.



[1]     https://babelsberg03.de/blog/2020/11/18/die-recherchegruppe-babelsberg-03-im-nationalsozialismus-praesentiert-erstes-zwischenergebnis/

[2]     https://www.jungewelt.de/artikel/391155.fu%C3%9Fball-erschreckend-der-sv-babelsberg-03-in-der-nazizeit.html

[3]     https://www.pnn.de/potsdam/ns-vergangenheit-des-sv-babelsberg-03-als-nulldrei-gegen-hitlers-leibstandarte-spielte/26651998.html

[4]     https://www.rbb24.de/sport/beitrag/2020/11/sv-babelsberg-03-fussball-chronik-nationalsozialismus-fans.html

[5]     https://klaus-becker-verlag.de/p/die-geschichte-des-sv-babelsberg-03-199-6

[6]     https://babelsberg03.de/blog/2013/10/16/babelsberg-03-trauert-um-peter-rosenzweig/

[7]     https://rotes-nowawes.de/

[8]     https://www.potsdam.de/sites/default/files/documents/Potsdam_Wahlen_histor.pdf

[9]     Festschrift zum 25jährigen Vereinsjubiläum des SV Nowawes 03 e.V.

[10]    Siehe zum Beispiel BSC Süd 05 Brandenburg, https://de.wikipedia.org/wiki/Brandenburger_SC_S%C3%BCd_05

[11]    Zitat Peter Rosenzweig

[12]    Berno Bahro: Die Einführung des "Arierparagraphen" in Berliner und Brandenburger Sport- und Turnvereinen in "Gleichschaltung" des Fußballsports im nationalsozialistischen Deutschland

[13]    W. Ludwig Tegelbeckers: Jüdischer Sport im nationalsozialistischen Deutschland, Gleichschaltung oder Auflösung: Das deutsche Sportverbandswesen im Jahr 1933, http://www.s-port.de/

[14]    Berno Bahro: Die Einführung des "Arierparagraphen" in Berliner und Brandenburger Sport- und Turnvereinen in "Gleichschaltung" des Fußballsports im nationalsozialistischen Deutschland

[15]    https://babelsberg03.de/blog/2020/11/18/die-recherchegruppe-babelsberg-03-im-nationalsozialismus-praesentiert-erstes-zwischenergebnis/

[16]    http://www.abseits03.de/archiv/items/heinz-schupo-tietz-gestorben.html

[17]    https://concordia-nowawes.de/geschichte/vereinsgeschichte#c06

[18]    https://concordia-nowawes.de/geschichte/vereinsgeschichte#c06

[19]    Siehe auch Jüdischer Sport im nationalsozialistischen Deutschland:

      Die Mitglieder der bürgerlichen Turn- und Sportbewegung, organisiert im Deutschen Reichsausschuss für Leibesübungen (DRA), teilten im Großen und Ganzen die "überlieferte" Unzufriedenheit vieler deutscher Zeitgenossen mit der Weimarer Republik: Man fühlte sich dem Vaterland verpflichtet, nicht aber der Demokratie. Andererseits wurden im Bereich der DRA-Einzelverbände jene Grundsätze einer staatlichen körperlichen Erziehung, die seit 1920 im Parteiprogramm der NSDAP standen bzw. von Hitler in Mein Kampf ausgeführt wurden, durchaus mit Wohlwollen gesehen, weil sie die ”Aufwertung alles Physischen” versprachen. Die gleiche positive Sanktionierung erfuhr die in Aussicht gestellte NS-Politik - zumindest in diesem Programmpunkt - auch seitens der Turn- und Sportlehrerschaft, denn auch ihr war die oben genannte Aufwertung ein permanentes, geradezu traditionelles Anliegen.

      Vor diesem Hintergrund vollzog sich nach dem 30. Januar 1933 die weitere Entwicklung des bürgerlichen Sports in Deutschland. Von nennenswertem Widerstand der bürgerlichen Sportorganisationen gegen den "drohenden" nationalsozialistischen Zugriff kann - abgesehen von einem ”Hauch von Opposition”, der bei WINFRIED JOCH beschrieben wird - kaum die Rede sein. Im Gegenteil: Die großen Sportverbände ”traten an zum Wettlauf um die Gunst der freudig begrüßten neuen Machthaber”, die einzelnen Vereine übertrafen sich gegenseitig mit Ergebenheitsadressen und Petitionen, deren Lektüre - so HAJO BERNETT 1971 - ”heute denkbar peinlich wirkt”. Der Grund dieser ”Kooperationsbereitschaft” kann durchaus auch, darauf weist HANS JOACHIM TEICHLER hin, auf das ”warnende Beispiel der gewaltsam zerschlagenen linken Parallelorganisationen” zurückzuführen sein.

[20]    Christian Wolter: Arbeiterfußball in Berlin und Brandenburg 1910-1933

[21]    http://www.abseits03.de/archiv/items/heinz-schupo-tietz-gestorben.html

[22]    https://babelsberg03.de/blog/2020/11/18/die-recherchegruppe-babelsberg-03-im-nationalsozialismus-praesentiert-erstes-zwischenergebnis/

[23]    https://babelsberg03.de/blog/2020/11/18/die-recherchegruppe-babelsberg-03-im-nationalsozialismus-praesentiert-erstes-zwischenergebnis/

[24]    https://www.potsdamer-sport-union.de/seite/208854/geschichte.html

Zurück

Back to basic: Der Ball ist bunt 2024

tl_files/Abseits/img/2024/BiB_Grafik-2024_Sharepic_small.jpgDas traditionelle Antirassistische Stadionfest „Der Ball Ist Bunt“ setzt seit über 20 Jahren ein starkes Zeichen gegen Ausgrenzung, Abwertung und Menschenfeindlichkeit, für Gemeinschaft, Solidarität und friedvolles Miteinander.

Am 21. September 2024 steigt nach einigen Jahren Pause die 18. Auflage im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion in Potsdam-Babelsberg.

Kern des Stadionfestes ist das Turnier für Fan- und Freizeitmannschaften. An verschiedenen Ständen informieren diverse Initiativen über rassistische Diskriminierung und bieten die Möglichkeit, sich mit- und untereinander für den Kampf gegen Ausgrenzung zu vernetzen.

Auf dem Festgelände wird darüber hinaus ein vielfältiges kulinarisches Erlebnis für alle Geschmäcker und Vorlieben geboten.

Was macht eigentlich...

Luis Klatte hat einen neuen Verein gefunden. Der Stamm-Goalie des SVB der vergangenen zwei Jahre 2022-2024, 67 RL Spiele) heuerte bei der Reserve der Rothosen aus Hamburg an. Klatte hatte dem Vernehmen nach einen Vertrag zu verbesserten Konditionen beim SVB abgelehnt. Ein Engagement in der Dritten Liga, zuletzt war Klatte bei Waldhof Mannheim im Test, zerschlug sich. Im RL Team des HSV stehen zwei sehr junge Keeper (19/17 Jahre) unter Vertrag. Nach drei Spieltagen in der Nordstaffel scheint der HSV bei drei Niederlagen und 0:10 Toren ernsthaften Bedarf im Kasten zu haben.

Der Rasen Teppich im Karli

Mittagsmagazin im Karli mit Greenkeeper Andi ProbaDas Karl-Liebknecht-Stadion und der Rasen auf dem Hauptplatz war nicht immer eine Liebesbeziehung. In früheren Jahren gab es heftigen Streit über die Qualität und die Pflege des Geläufs. Doch das hat sich Dank akribischer Arbeit deutlich verändert. Der DFB veranstaltet das U19 DFB Pokalfinale seit mehreren Jahren im Karli, auch wegen der Qualität des Rasenplatzes. Jetzt hat das Mittagsmagazin des ZDF beim langjährigen Greenkeeper Andi Proba nachgefragt…

Was macht eigentlich …?

Der frühere Babelsberger Torwächter Norman Becker hat kürzlich den Job des Torwart Trainers beim Liga-Konkurrenten Hallescher FC übernommen. Becker war 2005/06 für den SVB in der NOFV Oberliga aktiv und absolvierte 10 Spiele. Seinen ersten Einsatz hatte er am 19.11.2005 im legendären Derby gegen Union Berlin im Karli, als Babelsberg die Eisernen nach Rückstand zum zweiten Mal nach 2001 sensationell mit 3:2 bezwang.

Was macht eigentlich …?

... der ehemalige Babelsberger Laurin von Piechowski unterschreibt bei Lok Leipzig. Der mittlerweile 30jährige Berliner wechselt aus dem saarländischen Homburg an die Pleiße. 2013 beförderte Cem Efe den Innenverteidiger aus der U19 des SVB in den Regionalliga-Kader. Laurin entwickelte sich in 96 Einsätzen für Babelsberg zur Regionalliga-Stammkraft und wechselte 2017 nach Chemnitz in die Dritte Liga. Über die Stationen Rödinghausen, Elversberg und Homburg sammelte er diverse Meistertitel und Pokale und landete nun nach einem durchwachsenen Jahr mit einigen Verletzungssorgen in Leipzig.

Was macht eigentlich …?

Christian Groß von Werder Bremen beendet seine aktive Laufbahn. Der 35jährige Defensiv-Spezialist absolvierte nochmals 20 Bundesliga-Spiele und kommt damit auf insgesamt 83 Einsätze im Oberhaus. Sein Bundesliga-Debüt feierte er als 30jähriger im September 2019.

Für Babelsberg 03 absolvierte Christian Groß von Juli 2011 bis Mai 2013 50 Drittliga-Partien und ein Spiel im DFB Pokal 2011 gegen den MSV Duisburg, in dem er sich leider eine schwere Knieverletzung zuzog.

Am 18. Mai 2024 absolvierte er gegen den VfL Bochum sein letztes Bundesligaspiel und wurde im Bremer Weserstadion verabschiedet. Ab Herbst 2024 wird Christian Groß für den deutschen Meister Bayer 04 Leverkusen in der Scouting-Abteilung tätig sein.

Eine erfreuliche Saison. Doch Fragen bleiben offen!

Die Regionalliga Nordost biegt auf die Zielgerade ein und der SVB ist immer noch bei der Musik dabei. Derzeit platziert sich die Mannschaft von Trainer Markus Zschiesche auf Rang 4 und hat noch ein Nachholspiel beim ZFC Meuselwitz in der Hinterhand. Ohne die Partie beim ZFC beträgt der Rückstand auf Greifswald 12 Punkte, auf den BFC 10 Punkte und bei gleicher Spielanzahl acht Zähler auf Cottbus. Die Rückrundenpartie daheim gegen die Lausitzer steht noch aus und Cottbus muss noch gegen die beiden Topteams ran. Es gibt also keinen Grund, die Flinte ins Korn zu schmeißen, da insgesamt noch neun Spiele zu absolvieren und mithin 27 Punkte zu vergeben sind. Wer will schon Vierter werden?!

Olli Kragl mischt Serie D auf

Nach einer Odyssee durch die italienischen Ligen hat Oliver Kragl im sizilianischen Trapani das Glück wiedergefunden. Der frühere Nulldreier (35 Drittliga-Spiele 2012/13, 3 Tore) kam im Sommer 2023 an die Westspitze der Mittelmeer-Insel und knüpfte an längst vergangene Leistungen an.