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Babelsberger Fussballlegende Heinz "Schupo" Tietz im Alter von 94 Jahren gestorben
Nulldreier war er nie, der 1919 in Nowawes geborene Heinz Tietz. Sein erster Verein, dem er mit 10 Jahren beitrat war Concordia 06, der damalige kommunistische Verein, Rot-Sport genannt. Die bürgerlichen Nulldreier kamen nicht in Frage. „Mein Vater hätte mir in den Arsch getreten!“ so Tietz,: „so kam das gar nicht in Frage.“ Doch der Verein sollte nicht lange leben. Nach der Machtübernahme der Faschisten wurde Concordia 1933 verboten. Dennoch spielte man illegal einige Zeit weiter.
Mit Eintracht 06 wurde dank Willi Fischer, dem zukünftigen Vereinsführer, ein neuer Verein ins Leben gerufen, der als innoffizieller Nachfolger Concordias galt. Das war nicht so einfach musste Fischer doch erst der NSDAP beitreten, um dies möglich zu machen. Auch Heinz Tietz wurde Eintrachtler. Der Verein spielte damals noch in der 2. Kreisklasse des Westkreises Berlin/Brandenburg und schaffte 1937 mit dem jungen „Schupo“ und seinen 47 Toren in einer Saison den Aufstieg in die 1. Kreisklasse. Gespielt wurde damals an der Priesterstrasse, wo heute das Karli steht. „Wir waren eine verschworene Truppe ohne Geld. Wenn einer mal was hatte gab er ne Runde. Anders als heute, wo es heisst, die Runde bezahl ich, die nächste du. Das ging eben nicht.Wir haben immer zusammen gehalten.“
Nach dem Aufstieg mussten die 06er zeitweilig auf die Sandscholle ausweichen. Bei einem spektakulären Pokalfight schaltete man TeBe mit 5:2 aus, wo der damalige Auswahltrainer Berlin/Brandenburgs, kein geringerer als Sepp Herberger, auf ihn aufmerksam wurde und ihn 1940 zu Ländervergleichen in den Kader berief.
Inzwischen war Krieg. Viele der Mannschaftskameraden wurden nach und nach an die Front beordert, so auch der gelernte Stereotopeur Tietz. Während viele der Kameraden den Krieg nicht überlebten, geriet Schupo in amerikanische Gefangenschaft. Auch da ließ er nicht vom Fussball ab. Im Lager im italienischen Pisa-Livorno organisierte er mit anderen Gefangenen eine deutsche Kriegsgefangenenauswahl mit der er gegen italienische Vereine antrat.
Als er 1947 endlich aus der Gefangenschaft mach Babelsberg zurückkehrte, war vieles zerstört in Potsdam und Babelsberg. Über eins waren er und andere Spieler sich aber einig. Sie wollten weiter Fussball spielen und dazu reichte ein Team in Babelsberg.
Unter der Leitung von Paul Bauschke, einem ehem. Nulldreier, wurde die SG Babelsberg ins Leben gerufen. Ein Verein, dem ehemalige Spieler der Eintracht sowie Nulldreis angehörten. „Man kannte sich auch schon vorher. Da herrschte keine Feindschaft zwischen den Spielern. Das ging mehr von oben aus.“ Mit der SG scheiterte er zweimal im Finale um die Landesmeisterschaft gegen Meerane, ehe 1949 doch der Landesmeistertitel und der Aufstieg in die neugeschaffene DDR-Oberliga gelang. Die SG hatte aber nicht genügend Geld, um den Spielbetrieb allein aufrecht zu erhalten. Und so schloss man sich der Märkischen Volksstimme an. Zuvor gab es als Prämien mal Lebensmittelkarten oder ein Stück Butter, später vielleicht mal 50 Mark. Die Spieler arbeiten so am Tage bei der MV, und nach der Umbenennung zu Rotation zum Teil auch bei der DEFA, und abends wurde trainiert. Auflage war es jedoch für alle, sich in einer Fortbildung für die Fachberufe zu qualifizieren. So saß auch Heinz neben dem Training oft in Berlin auf der Schulbank und machte seinen Meister.
Aber er spielte trotzdem weiter Fussball, als Kapitän von Rotation Babelsberg in der DDR-Oberliga. Zwischen 1949 und 1956 bestritt er 203 der 208 Punktspiele, war Lenker und Denker im Mittelfeld. Das brachte ihm auch einige Berufungen in die Landesauswahl. „Wir hatten damals bei Rotation 10-12 Mannschaften im Verein, die wurden nur durch die Einnahmen der 1. Mannschaft finanziert. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen. Allerdings wurden die Einahmen der Oberliga immer 60/40 zwischen den Heim- und Gastmannschaften geteilt, sodass wir auch von den hohen Zuschauerzahlen auswärts profitierten. Im Sommer fuhren wir immer gemeinsam mit unseren Frauen an die Ostsee, finanzierten die Reise quasi durch ein Umsonst-Spiel an der Küste.
Wir waren eine super Truppe. Mit 38 Jahren war dann Schluß und er, der nie abgestiegen war, sah seine Rotationself ein Jahr später absteigen. Fortan kümmerte er sich um den Babelsberger Nachwuchs.
1969 übernahm er zusammen mit Achim Bebba und Hans Schöne das Traineramt beim neugebildeten SC Potsdam. Er war jedoch kein Parteimitglied, wollte auch nicht, und hatte nur die Überleitungsstufe III, sodaß für ihn nach einem halben Jahr Schluß war. Also arbeitete er im Hintergrund als eine Art „Manager“ weiter. Auch später als Motor den Platz des SC Potsdam in der Liga einnahm, blieb er dem Babelsberger Fussball treu, trainierte Nachwuchs und erste Männer bis in die 70er Jahre, war sogar zeitweilig Sektionsleiter. Mit seinem 65. Geburtstag war dann aber wirklich Schluß, Heinz überließ Jüngeren das Feld.
Woher der Name „Schupo“, werden sich vielleicht einige Leser fragen? Nein, Polizist war Heinz nie. Als Stepke trat er mit anderen oft auf dem Weberplatz gegen das Leder. Dummerweise war dort das Fussball spielen verboten. Der kleine Heinz musste deshalb meist Schmiere stehen und beim Eintreffen des Schutzmannes Alarm geben. Seine „Schupo, Schupo“-Rufe räumten schnell das Feld und gaben ihm seinen Namen. Einen Namen mit dem er schon längst auf ewig in die Babelsberger Fussballannalen eingegangen ist.