Am Montag vor dem heutigen Pokalspiel traf sich die Abseits-Crew mit Dr. Marc Schulten, dem derzeitigen Vorstandsvorsit-zenden und Nachfolger von Detlef Kaminski. Dr. Schulten ist 40 Jahre alt. Höhepunkt seiner fußballerischen Laufbahn waren drei Zweitliga-Spiele für Viktoria Aschaffenburg (wir konnten ihn im Zweitliga-Allmanach jedoch nicht finden, d.T.). Dr. Schulten ist Geschäftsführer der Demex Systembau, ein Immobilienunter-nehmen, welches unter anderem das B5 Designer-Outlet errichtete und das auch schon als Trikotsponsor in Babelsberg aktiv war.
Herr Dr. Schulten, wie bewerten Sie den bisherigen Saisonverlauf?
Zunächst einmal möchte ich ein Thema ansprechen, welches uns zur Zeit akut beschäftigt. Nach dem Flaschenwurf auf den Linienrichter beim Spiel gegen den DSC rechnen wir mit Sanktionen seitens des NOFV. Der Schiedsrichter hat diesen Vorfall in seinen Spielbericht aufgenommen und dem SVB drohen jetzt Strafen bis hin zum Ausschluß der Öffentlichkeit von den Spielen unserer Mannschaft. Wir müssen uns überlegen wie mit dieser Situation umgegangen werden muß. Klar ist, daß so etwas nicht wieder vorkommen darf und daß wir Maßnahmen ergreifen müssen, um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Ich möchte an dieser Stelle an alle Fans appellieren, solche Dinge nicht hinzunehmen und die entsprechenden Leute deutlich anzusprechen.
Zur Frage: Mit dem bisherigen Saisonverlauf kann man zufrieden sein. Wenn man aber die Spiele einzelnen betrachtet, muß man sagen, daß schon mehr Punkte zu Buche stehen könnten. So hatten wir gegen den HSV viel Pech. Und das Spiel gegen den DSC darf man eigentlich auch nicht verlieren. Die Dresdner haben aus drei Chancen drei Tore gemacht und zu diesen haben wir sie mit den individuellen Fehlern in der Abwehr auch noch eingeladen.
Apropos Abwehr: In der Presse war zu lesen, daß ein Verteidiger von der Oberliga-Mannschaft von Hertha BSC bei Babelsberg im Gespräch ist.
Wir haben inzwischen einen ganz guten Draht zu den Verantwortlichen bei Hertha. Leider ist das Ausleihgeschäft, daß wir den Herthanern mit dem Abwehrspieler Madlung vorgeschlagen haben, bisher nicht zu Stande gekommen. Wir sind aber im Gespräch.
Das Verhältnis zu den Berlinern war nicht immer ungetrübt. Das hat sich wohl verändert?
Dieter Hoeneß und Detlef Kaminski hatten nicht gerade ein gutes Verhältnis zueinander. Aber warum sollen beide Vereine nicht voneinander profitieren. Wenn es uns hilft, nehmen wir gern einen Spieler von Hertha unter Vertrag. Aber wir wollen keine Filiale von Hertha BSC werden.
Neben einer Neuverpflichtung gibt es ja noch weitere Verteidiger im Kader. Hinter zweien steht jedoch ein Fragezeichen.
Marcell Fensch hat zur Zeit keinen Vertrag bei Babelsberg. Sein Problem ist die hohe Verletzungsanfälligkeit. Bei ihm besteht zur Zeit kein Handlungsbedarf, weil er auch noch nach dem 30. August verpflichtet werden könnte, denn er würde den Verein ja nicht wechseln. Bei Christian Henning können wir uns vorstellen, den Vertrag vorzeitig zu verlängern. Zur Zeit wird er über die Berufsgenossenschaft aus der Zweitligazeit bezahlt, insofern belastet er uns wirtschaftlich nicht. Darüber hinaus steht Andreas Lücke für die Innenverteidigung bereit. Er wird in jedem Fall seine Chance bekommen und hat auch in der zweiten Mannschaft schon gute Leistungen gezeigt. Für die Liberoposition ist Tuncay Nadaroglu eine Alternative.
Neben der neuen Abwehr ist auch der Trainer Nenad Salov neu. Er ist im Trainergeschäft nicht nur für Babelsberger Fußballfans ein unbeschriebenes Blatt. Welche Qualitäten haben den Ausschlag für seine Verpflichtung gegeben?
Der Kontakt zu Nenad Salov kam natürlich aus meiner Zeit in Aschaffenburg. Allerdings war er hier in Babelsberg schon länger im Gespräch: zunächst als Co-Trainer für Hermann und später auch als Chef-Trainer anstelle von Horst Franz. Zu seinen Qualitäten gehört, daß er gut mit jungen Spielern umgehen kann, daß er sie weiter bringt. Er hat auch ein Auge für junge Spieler, wie man an Rani al Kassem sieht. Er hat ihn fünf Minuten beobachtet und sofort sein Potential erkannt. Salov ist sehr diszipliniert und auch in gewisser Weise autoritär. In seiner aktiven Zeit war er Spielmacher und lief eher nicht so viel. Aus diesem Grunde legt er heute sehr viel Wert auf die Fitneß und die Laufbereitschaft seiner Spieler. Hinzu kommt, daß er ein relativ unbekannter Trainer ist. Er paßt damit von seinen Gehaltsvorstellungen ins Babelsberger Konzept. Er will sich hier beweisen. Ebenso passt er zu unserem Multi-Kulti-Image.
Sein letzter Trainerjob in Aschaffenburg liegt allerdings schon länger zurück.
In Aschaffenburg war er in seiner letzten Saison drei Spieltage vor Schluß Tabellenführer. In der damaligen Oberliga hätte der Staffelsieg die Relegation für die zweite Bundesliga bedeutet. Er wurde dann auf Wunsch eines Sponsors gegen den aus Aschaffenburg stammenden Rudi Bommer ausgetauscht, der den Meisterplatz innerhalb von drei Spieltagen noch verspielte.
Neben dem neuen Trainer gibt es jetzt wieder einen Sportlichen Leiter, Wolfgang Levin. Er war schon einmal hier in Babelsberg tätig. Welche Aufgaben wird Herr Levin wahrnehmen?
Herr Levin hat aus seiner Zeit beim DFB viele Kontakte, die uns helfen können. Er kennt einfach die wichtigen Leute beim DFB und bei der DFL. Einen konkret abgegrenzten Arbeitsbereich gibt es für ihn nicht. In Babelsberg sind alle für alles zuständig. Aber der eine kann dieses und der andere jenes besser. Insofern ergibt sich das dann an den konkreten Aufgaben. Ich kann es auch im beruflichen Bereich nicht leiden, wenn jemand sagt: "Das ist nicht mein Geschäftsbereich, dafür bin ich nicht verantwortlich."
Wäre der sportliche Leiter derjenige, der den Spielberichtsbogen kontrolliert. Dann wäre der Fehler gegen den HSV mit den zu wenigen U-24-Spielern auf dem Spiel-berichtsbogen nicht passiert? Welche Konsequenzen werden aus diesem Fehler gezogen?
Grundsätzlich ist der Trainer verantwortlich. Wie er die Aufgabe delegiert ist letztlich seine Sache. Aber er ist verantwortlich. Sicherlich gibt es jedenfalls genug Betreuer, denen das Problem hätte auffallen müssen. Sei es nun Detlef Kettner oder Dirk Heinrichs oder irgend jemand anderes. Darüber hinaus ist die rechtliche Situation in Sachen Punktabzug nicht eindeutig, denn der DFB hat den Passus über den Einsatz der U24-Spieler zwar in seine Spielordnung aufgenommen, aber beim zuständigen NOFV fehlt die entsprechende Aussage. Insofern ist es nicht klar, ob die Grundlage für einen Punktabzug überhaupt vorliegt.
Wie finden Sie die Regel grundsätzlich?
Nachwuchsförderung ist eine gute Sache. Aber hier handelt es sich um eine hahnebüchene Regel. Zum einen ist es eine klare Bevorteilung der Proficlubs mit ihren Amateurmannschaften. Zum anderen gibt es Vereine, die nur vier U24-Spieler unter Vertrag haben. Was machen die, wenn sich einer von ihnen verletzt. Der sitzt dann mit Gipsbein auf der Auswechselbank, nur damit er auf dem Spielberichtsbogen erscheint.
Welches Saisonziel hat der Vorstand für diese Saison ausgegeben?
Sicherlich stapeln wir etwas tief, wenn wir vom Klassenerhalt sprechen. Wir halten die Erwartungen lieber niedrig, dann ist am ende keiner enttäuscht. Vom Potential her sind wir meiner Meinung nach nicht schlechter besetzt als in der Aufstiegssaison. Ich denke, im Sturm sind wir sogar besser besetzt. Das Mittelfeld ist qualitativ gleichwertig wie in der Aufstiegssaison. Nur in der Abwehr haben wir im Moment Sorgen. Da steht ein Fragezeichen. Aber wie schon gesagt: Wir sind hier am Ball. Ein einstelliger Tabellenplatz wäre sicherlich ein Erfolg.
Wir kommen nicht umhin, auch die Vergangenheit noch einmal Revue passieren zu lassen. Im letzten halben Jahr hat sich die Besetzung der entscheidenden Gremien beim SVB verändert.
Herr Geiß und Frau Woiteck sind nicht mehr im Vorstand vertreten. Dafür sind neu hinzugekommen Herbert Euler als Kaufmännischer Berater, er ist im Baugeschäft tätig, und Wolfgang Levin, Pressesprecher bei der EVP. Die entscheidende Veränderung ist aber natürlich der Rückzug von Detlef Kaminski.
Aus unserer Sicht ist es ein bißchen einfach, alle Probleme auf Detlef Kaminski abzuwälzen.
Ich schätze Detlef Kaminski wirklich sehr. Aber man muß auch sagen, daß er zuletzt doch einige Fehler gemacht hat, die er als Vorstandsvorsitzender auch zu verantworten hatte. Die Ablösung von Hermann Andreev zum Beispiel kam zum falschen Zeitpunkt. Entweder man hätte vor der Winterpause gehandelt oder gar nicht. Hinzu kommt, daß sich tatsächlich viele Personen im Umfeld und bei den Sponsoren an Detlef Kaminski gestoßen haben, was sicherlich auch mit seinem Führungsstil zu tun hatte.
Gerade was die Sponsoren angeht, war in der Presse immer wieder davon zu lesen, daß mit dem Abgang Detlef Kaminskis alles besser wird. Davon ist jetzt keine Rede mehr.
Ich persönlich habe das nie so gesagt. Es ist aber tatsächlich so, daß es einige Sponsoren gibt, die gesagt haben, daß sie kein Geld geben, solange Detlef Kaminski Vorstandsvorsitzender ist. Hier sind aber übertriebene Erwartungen dargestellt worden.
Im Bereich Finanzen konzentriert sich jetzt alle Hoffnung auf die Übernahme des Stadions durch den Verein. Können Sie uns erklären, welche Bank einen Kredit für einen Sportplatz gewährt? Wie soll das funktionieren?
Es handelt sich hier um ein Geschäft zwischen drei Partnern: Babelsberg 03, Stadt und finanzierende Bank. Der Verein kann mit dem Darlehen die akuten Forderungen der Gläubiger befriedigen und die Stadt entlastet ihren Haushalt durch die Einsparung der Personalkosten. Hinzu kommen steuerliche Vorteile. So kann die Stadt zum Beispiel keinen Vorsteuerabzug in Ansatz bringen, Babelsberg 03 aber schon.
Was würde im Falle der Insolvenz passieren? Auf den Schulden bliebe die Stadt sitzen.
Falls es keinen höherklassigen Fußball mehr in Babelsberg geben würde (zum Beispiel im Fall der Insolvenz, d.T.), würde die Stadt das Stadion sowieso als Bauland verkaufen. Insofern kommt das für die Stadt aufs gleiche heraus. Mit dem Geschäft hilft uns aber die Stadt aus der mißlichen Schuldenfalle. Aus der können wir uns ohne Hilfe nicht befreien.
Abgesehen davon, daß wir nicht glauben, daß es so ohne weiteres möglich wäre, das Stadiongelände in Bauland umzuwandeln, entstehen dem Verein auch zusätzliche Kosten mit der Stadionbewirtschaftung.
Wir stellen uns vor, daß wir zur Bewirtschaftung des Stadions eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme initiieren könnten, z.B. mit arbeitslosen Fans. So würden hier keine größeren Belastungen für den Verein entstehen. Hier ist auch eine Kooperation mit kleineren Sponsoren denkbar. Für einen Malermeister ist es möglicherweise einfacher die Mannschaftskabine zu streichen, als 1000 Euro in bar zu sponsorn. Identität durch Mitarbeit ist die Devise.
Aus welchen Einnahmen wird die Bedienung von Zins und Tilgung erfolgen?
Da das Stadion weiterhin auch durch die Turbine-Frauen genutzt wird, ist geplant, daß die Stadt Potsdam einen Zuschuß zum Stadionbetrieb geben wird. Unter anderem aus diesen Einnahmen wird das Darlehen bedient werden.
Neben den finanziellen Problemen gibt es auch ein räumliches Problem. Das Stadiongebäude bietet einfach zuwenig Platz.
Wir wollen versuchen, das Gelände der Dok-Film-Studios auf der Rückseite des Stadions an der Grenzstraße für eine Erweiterung des Stadiongeländes zu erwerben. Die Räumlichkeiten würden sich für eine Stadionkneipe mit Biergarten usw. geradezu anbieten. Neben der Vereinsgastronomie stellen wir uns ein medizinisches Angebot vor, das auch zu unseren Anforderungen als Sportverein passen würde. An eine "Einkaufsmeile", wie sie gerüchteweise schon dargestellt wurde ist in keinem Fall gedacht. Die notwendige Finanzierung läßt sich aus den Mieteinnahmen darstellen. Ebenso sollen die Anlieger mehr mit einbezogen werden. Wir denken derzeit über möglichen Schall - und Sichtschutz nach.
Ein weiteres Problem sind die Trainingsbedingungen für die erste Mann-schaft. Hierfür sollen am Babelsberger Park neue Trainingsmöglichkeiten geschaffen werden. Wäre es nicht besser erst mal die Sandscholle auf Vordermann zu bringen?
Die Bedingungen auf der Sandscholle sollen ohnehin verbessert werden. Hierfür werden auch schon Gespräche geführt. Der Fußball-Kreisverband soll Geld aus der Nachwuchsförderung des DFB bekommen, welches für die Verbesserung der Sandscholle eingesetzt werden kann. Darüber hinaus ist es aber durchaus sinnvoll, am Babelsberger Park zwei Trainingsplätze für die erste Mannschaft herzustellen. Die Kombination mit einem Bolzplatz für den Freizeitsport hätte im übrigen Vorbildcharakter. Ziel ist es, das Stadiongeschäft noch in diesem Herbst über die Bühne zu bringen und die Plätze am Babelsberger Park zur nächsten Saison fertig zu haben.
Was ist aus dem angekündigten Vorhaben geworden, Fanvertreter in die Arbeit der Vereinsgremien einzubinden?
Prinzipiell sind wir an einer Zusammenarbeit mit den Fans interessiert. Die Berufung eines Fanvertreters in den Vorstand oder Aufsichtsrat ist allerdings nicht unproblematisch, weil derjenige, der diese Position wahrnimmt, sehr schnell zwischen Baum und Borke sitzt. Deshalb streben wir derzeit eher ein regelmäßiges Treffen mit Fanvertretern an, z. B im vierteljährlichen Rhythmus, bei dem die bestehenden Probleme gemeinsam besprochen werden können.
Herr Dr. Schulten, wir danken Ihnen für das Gespräch.