Vor zwei Jahren verpaßte ich die Auswärtsfahrt nach Bremen. Das Spiel endete torreich vier zu vier, wobei die Bremer in der Nachspielzeit ausgleichen konnten. Dieses Jahr waren die Stadtmusikanten zweiter in der Tabelle und so reiste unsere Motor-Elf als klarer Außenseiter in die Hansestadt an der Weser. Es sollten wieder viele Tore fallen.
Während der größte Teil des Babelsberger Mobs sich per Wochenendticket mit dem Zug aufmachte, bildeten vier Stehplätzler und ich eine Fahrgemeinschaft in lepetits tscheschischem Reisemobil. Man glaubt gar nicht, wie nah Bremen eigentlich ist. Nach bequemen 3 Stunden erreichten wir ohne Verzögerungen das Weserstadion, eine ziemliche Beton-schüssel direkt an der Weser gelegen. Die Suche nach dem ominösen Platz 11 gestaltete sich schwierig, fehlte doch jeder Hinweis auf den etwas abseits gelegenen Nebenplatz, der mit einer überdachten Gegengerade aufwartet. Während es vor zwei Jahren wohl noch möglich war, unter dem Dach zu stehen, was der Stimmung durchaus zuträglich war, so ist der Gästebereich inzwischen ohne den überdachten Teil eingezäunt. Offensichtlich haben auch die Bremer Verantwortlichen einige Auflagen in Sachen Stadionsicherheit bekommen. Dafür sprachen auch die schwarzen Sheriffs, die sich am Eingang aufbauten. Laut Auskunft der der freundlichen Dame am Zapfhahn des Bierstandes haben die Bremer schon mehrere Sicherheitsunternehmen ausprobiert, der Glücksgriff dürfte auch diese Truppe nicht sein. Aber dazu später mehr.
Traner Sandhowe vertraute auch in seinem zweiten Spiel auf der Babelsberger Bank den erfahrenen Spielern: So begann er wieder mit Härtel als Libero, davor spielten Fensch, Müller und Schmidt eins gegen eins gegen die Spitzen der Werder Amateure. Im Mittelfeld agierten Chala, Civa, Gatti und Lorenz und vorne erhielten der in der Vorwoche schwache Lau und Röver - als Ersatz für Kampf - ihre Chance. Insgesamt also eine recht defensive Aufstellung, die sich aber angesichts der spiel- und laufstarken Bremer geradezu anbot. Etwas unsicher war ich, ob unsere beiden Stürmer die Konterchancen, die unsere Elf wohl nutzen müßte, verwerten könnten. Schließlich sind beide ja nicht mehr die jüngsten.
Es entwickelte sich ein interessantes Spiel, bei dem die Bremer in der ersten Hälfte deutlich dominierten. Allerdings verpaßte ich durch den Auftritt der Sicherheitsleute die ersten zehn Minuten des Spiels. Die waren nämlich der Meinung, das ich durch ein Foto des zumindest zahlenmäßig ganz ansehnlichen Babelsberger Mobs ihre Persönlichkeitsrechte verletzt hätte. Davon konnte natürlich in keinster Weise die Rede sein, hatten sie sich doch selbst mitten in den Gästeblock gestellt und stand ich doch mindestens 10 oder 12 Meter von ihnen entfernt. Der Aufforderung nach Herausgabe des Filmes konnte ich natürlich nicht nachkommen und so mußte die Staatsmacht bemüht werden, die aber offensichtlich feststellte, daß das Eis zu dünn war und man eine Eskalation aufgrund der Lächerlichkeit des Vorfalls nicht riskieren sollte. Die Sicherheitsleute waren angesichts dieses Ergebnisses sichtlich enttäuscht. Nun konnte ich endlich dem Siel folgen. Zwei guten Möglichkeiten durch Lau und Röver (jeweils nach Kontern) setzten die Werder Amateure ihr 1:0 entgegen, bei dem die Nulldrei-Hintermannschaft das erste Mal so richtig schwindlig gespielt wurde. Es war erschreckend, wie leicht die Bremer die bis dahin recht sicher wirkende Defensive aushebelte. Doch im Gegensatz zu den Spielen unter Salov brach die Mannschaft jetzt nicht ein, sondern kam insbesondere über die mit Chala besetzte linke Seite zu guten Möglichkeiten. Eine nutzte dann Michi Lorenz aus zwölf Metern zum durchaus nicht unverdienten Ausgleich. Kurz vor der Pause hatten die Bremer dann die Chance wieder in Führung zu gehen. Doch zunächst rettete Herber und der Nachschuß ging an den Pfosten.
Dann war Halbzeit und die Ultras machten sich bereit für ihren Auftritt. Nach dem Schwenken von blauen und weißen Luftballons zu Beginn der zweiten Halbzeit zogen scharze Rauchschwaden über das Stadion. Der Schiri mußte das Spiel kurzzeitig unterbrechen. Da war allerdings das 2:1 für Bremen schon gefallen. Direkt nach dem Wiederanpfiff hatten diese die noch nicht aus der Halbzeitpause zurückgekehrten Nulldreier überwunden. Dem Rauch war die Fimstadtfahne zum Opfer gefallen. Sie ging in Flammen auf, als wäre sie mit spiritus getränkt. Dies schien jedoch die Mannschaft nur zu beflügeln. Denn auch jetzt war von Resignation nichts zu sehen. Mutig wurde nach vorn gespielt und je länger die Partie dauerte, desto mehr gewann man den Eindruck, die Bremer wollten oder konnten nicht mehr. Immer wieder war es Chalaskiewicz der den Ball gefährlich nach vorn brachte und ihm blieb es dann auch vorbehalten, per Kopf (!) nach Eckballverlängerung von Schmitte am langen Pfosten auszugleichen. Bei den Bremern ging jetzt fast nichts mehr zusammen. Immer wieder wurden sie von den aufmerksamen Lorenz und Civa entscheidend am konstruktiven Spielaufbau gehindert. Je länger die Partie dauerte, desto mehr Fehler machten sie. Mit dem für den doch enttäuschenden Röver eingewechselten Löhr bekam auch das Offensivspiel noch mehr Impulse. Als Chala dann den Pfosten traf, wußten alls hier war mehr drin als ein Punkt und kurz vor Schluß vernaschte dann Löhr zwei Bremer, flankte Butterweich auf Chala, der auf Lau ablegte und dieser verwandelte fünf Meter vor dem Tor stehend souverän zum 3:2 (u.n.v). Unbeschreiblicher Jubel machte sich auf dem Rasen und natürlich auch auf den Rängen breit.
Anschließend enterten wir noch die Pressekonferenz, wo wir uns auf Kosten der Gastgeber mit der für die Rückfahrt nötigen Stärkung versorgten. Die Trainer gaben jeweils ein kurzes Statement ab. Thomas Wolter, der Bremer Coach sprach von einem verdienten Sieg unserer Nulldreier. Ebenso easy wie die Hinfahrt gestaltete sich die Rückfahrt. Angesichts der drei Punkte im Gepäck hatte ich mal wieder dieses Hochgefühl, das ich so lange missen mußte und das macht wirklich Mut für die kommenden Aufgaben.
Ein Wermutstropfen fällt trotzdem auf diese Partie: Was sich teilweise für Volk unter die Zugfahrer gemischt hatte, war wirklich schlecht. Von Nachwuchshools über einen dieser häßlichen Hertha-Fans mit Eisernem-Kreuz-T-Shirt war alles vertreten. Da sollten sich die Ultras und das Fanprojekt mal überlegen, ob man so offensiv Werbung für Zugreisen machen sollte.
Lü
|
|