Interview mit Trainer Wolfgang Sandhowe
Am Montag dieser Woche trafen sich die Abseits-Redaktion mit dem Trainer der ersten Mannschaft im Trainerzimmer im Stadiongebäude.
Wolfgang Sandhowe stammt aus Ascheberg bei Münster. Fiel beim TuS Aschenberg, Ahlener SV und SV Herbern zwar als Talent auf, wurde aber von Preußen Münster übersehen. Bakm 1978 einen Zweitligavertrag beim KSV Baunatal. Bestritt alle Punktspiele und empfahl sich trotz des Abstiegs für ein Zweitligaengagement beim FSV Frankfurt. Wurde 1990 von Preußen Münster für das entscheidene letzte Jahr der 2. Liga Nord verpflichtet. Wechselte 1980 nach der verpassten Qualifikation für die "Eingleisige" zur Hammer Spvg.Zog 1983 weiter zum norddeutschen Oberligisten Göttingen 05. Wurde 1984 nach dem Abstieg des VfL durch Erhard Ahmann und auf Empfehlung von Trainer-Haudegen Bernd Oles verpflichtet. Erzielte am 12. August 1984 beim 2:1 gegen den SV Wilhelmshaven per Elfmeter das erste Tor in jener Saison, die den VfL zurück in die 2. Bundesliga führte. Bestritt allerdings nur drei Punktspiele, weil er von Trainer Ahmann aussortiert wurde. Beendete seine aktive Laufbahn nach einem Zwischenspiel bei Düren 99. Schloss 86 an der Sporthochschule Köln sein Diplom-Sportlehrer-Studium ab und erwarb die Fußballer-Lizenz in einem Lehrgang mit Winfried Schäfer, Hermann Gerland und Hannes Bongartz. Wurdevon Gerland vom VfL Bochum geholt, wo er zwei Jahre lang die Amateure betreute. War danach Assistent von Jupp Derwall bei Galatasaray Istanbul, trainierte von 1990 bis 1992 mit viel Erfolg den Oberligisten Türkiyemspor und von 1992 bis 1994 die Reinickendorfer Füchse. Arbeitet 1994/95 unter Gerland als Assistent beim 1.FC Nürnberg. Wurde danach bei LR Ahlen (1997) und Eintracht Braunscheig (1999) entlassen. Betreute von 1999 bis 2001 Lok Stendal. Vom Sommer 2001 bis Anfang 2002 trainierte er die Oberligaelf des FC Carl Zeiss Jena.
Abseits: Babelsberg ist die bisher letzte Trainerstation von vielen in Deiner Laufbahn. Würdest Du Dich als Wandervogel bezeichnen?
Nein, eigentlich nicht. Auch als Spieler habe ich die Verein häufiger gewechselt. Aber das lag meistens daran, dass die Vereine und ich unterschiedliche Ziele hatten. Ich setze mit immer Ziele. Und wenn diese mit einem Verein nicht zu erreichen sind, dann muß man sich einen neuen Verein suchen.
Abseits: Was zeichnete Dich als Spieler aus?
Als Spieler waren meine Stärken Laufbereitschaft und Emotionen. Ich war ein Fußballverrückter und habe sogar mit Fußballschuhen geschlafen. Dazu konnte ich außerdem noch Fußball spielen. Am Anfang trug ich die 6, dann die 8 und später die 10. Aber die Laufarbeit war meine Stärke. Da habe ich in allen Vereinen, bei denen ich war, meinen Mitspielern was vorgemacht.
Abseits: Deine Emotionen kann man auch am Spielfeldrand noch sehr deutlich erkennen. Wie gehst Du mit Spielern um, die auch so emotional auf dem Platz sind, wie Du es früher warst?
Ich erwarte eine gewisse Leidenschaft von meinen Spielern. Und wer mit Leidenschaft an eine Sache herangeht, der macht halt auch Fehler. Aber ohne Leidenschaft kannst du im Fußball nichts erreichen. Dazu kommt, daß jeder Schiri seine eigenen Stil hat, und je nachdem ob er kleinlich pfeift oder großzügig, muß man auch seine Grenzen einschätzen.
Abseits: Wie siehst Du vor diesem Hintergrund den aktuellen Kader?
Unsere Mannschaft ist eher noch zu ruhig. In Stendal hatte ich drei Spieler, die waren in der Kabine kaum zu halten. Die waren richtig heiß auf das Spiel.
Abseits: Würde dieses Kriterium auch bei eventuellen Verpflichtungen eine Rolle spielen. Hast Du Spieler, vielleicht aus Deinen ehemaligen Mannschaften im Auge, die Du gern nach Babelsberg holen würdest?
Im Moment mache ich mir darüber keine Gedanken. Aber wenn wir die Klasse halten und der Verein weiterhin mit mir zusammenarbeiten möchte, würde ich schon noch ein, zwei Führungsspieler holen. Zunächst gilt es aber den Klassenerhalt zu schaffen.
Abseits: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die zweite Mannschaft?
Ich habe mir die zweite Mannschaft zuletzt zweimal angesehen: gegen Falkensee/Finkenburg und in Neuruppin beim Pokal. Da sind auf jeden Fall Spieler dabei, die Perspektiven auch für die erste Mannschaft haben, z.B. Matthias Rudolph, der auch öfter mit der Ersten trainiert und der am weitesten ist. Außerdem ist er lernwillig und -fähig.
Abseits: Die zweite Mannschaft ist in den letzten Jahren immer etwas stiefmütterlich behandelt worden, sowohl finanziell als auch vom Stellenwert im Verein. Wird sich daran in Zukunft etwas ändern?
Ich sehe die zweite Mannschaft vor allem als Ausbildungsmannschaft. Da müssen zwei, drei erfahrene Spieler dabei sein, die den jüngeren Rückhalt geben und ihre Erfahrung einbringen. Der Rest muß jung und hungrig sein. Dazu muß man auch im Umland und in Berlin Ausschau halten, wer für Babelsberg für die Zukunft in Frage kommt. Strukturell haben wir mit dem neuen Aufgabenbereich für Ingo Nachtigall hier auch Voraussetzungen geschaffen, daß organisatorisch einiges verbessert werden kann. Und Ingo Nachtigall muß dafü von der Vereinsführung auch die entsprechenden Kompetenzen bekommen.
Abseits: Stichwort Ingo Nachtigall: In der Presse war zu lesen, daß Du während seiner Krankheit seinen Schreibtisch aus Eurem gemeinsamen Büro geschoben hast. Ist das nicht ein merkwürdiger Stil?
Gut, daß Ihr das ansprecht. Da kann ich das gleich mal geraderücken. Ich habe von Anfang an gesagt, daß ich keinen Co-Trainer brauche. Das ist keine Abwertung der Person Ingo Nachtigall und das habe ich Ingo auch so gesagt, und zwar vor seiner Krankheit. Während seiner Krankheit habe ich dann zweimal versucht, ihn telefonisch zu erreichen, was aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht geklappt hat. Dann habe ich gehandelt und seinen Schreibtisch aus dem Büro geschoben. Zwei Tage bevor er dann wieder gesund war, habe ich mich mit ihm im Cafe Heider getroffen und ihm Auge in Auge mitgeteilt, wie ich mir unsere weitere Zusammenarbeit vorstelle. Ich brache das Büro als Arbeitsraum für mich allein. Wenn ich hier z.B. Gespräche mit Spielern führe, dann brauche ich die individuelle Atmosphäre. Der Spieler muß die Gewißheit haben, daß nichts nach außen dringt und da ist das Gespräch unter vier Augen immer besser und intensiver. Ich will der Mittelpunkt sein für die Spieler. Dafür brauche ich halt keinen Co-Trainer, der an der Außenlinie steht. Wie diese Sache dann an die Presse gelangt ist, darüber kann man nur spekulieren.
Abseits: Dir eilt als Trainer der Ruf des harten Hundes voraus. Was ist da dran und wie gehst Du damit um?
Wie ich schon sagte, ist für mich Laufbereitschaft der Spieler das A und O. Entscheidend ist, daß die Spieler Gas geben. Aber ich habe in meiner Laufbahn auch dazu gelernt. Felix Magath ist mal eine ähnliche Frage gestellt worden. Er hat ja einen ähnlichen Ruf wie ich. Er hat gesagt, manches was ich früher getan habe, war hinderlich. Das trifft auf mich auch zu. Weiter: Vieles was die Journalisten über mich (Magath) geschrieben haben, hat die Spieler abgeschreckt. Auch das trifft auf mich zu. Dieses Image ist Magath losgeworden, weil er sich geändert hat. Und das, hoffe ich, gilt für mich auch. Ich bin heute kommunikativer als früher und auch diplomatischer.
Abseits: Als Du die Mannschaft übernommen hast, war sie völlig verunsichert. Was hast Du beim Training geändert? Worauf legst Du besonderen Wert?
Wir trainieren täglich zwischen 80 und 90 Minuten sehr intensiv. Wir machen viel Sprint-Training. Darüber hinaus üben wir besonders das Pressing und den Zweikampf und natürlich den Torabschluß. Spieler, die sagen, ich muß mich unter der Woche schonen, damit ich am Wochenende fit bin, machen bei mir keinen Stich. Nur wer sich unter der Woche voll reinhängt, kann im Spiel auch sein ganzes Potential abrufen. Insgesamt habe ich den Eindruck, daß das Training und meine Art und Weise bei der Mannschaft gut ankommt. Kein Spieler nimmt sich zurück. Aber das wichtigste war nach meiner Amtsübernahme die mentale Arbeit. Sie trägt jetzt Früchte, denn trotz der letzten zwei verlorenen Spiele stimmt die Moral und das Selbstvertrauen der Truppe. Bei mir zählt nur die Leistung auf dem Platz. Auch das ist bei der Mannschaft angekommen. Zuletzt hat Almedin Civa nach schwächeren Leistungen auf der Bank gesessen. Das war vorher in Babelsberg fast undenkbar.
Abseits: Wie schätzt du die Niederlage in Essen ein?
Die Journalisten haben nach dem Spiel unsere taktische Marschroute kritisiert. Ihnen war unsere Spielweise zu defensiv. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, daß meine Taktik die richtige war. Wir können doch in Essen nicht "auf Teufel komm raus" stürmen. Die Bremer haben bei ihrer 5:3 - Niederlage an der Hafenstraße deutlich gezeigt bekommen, wie man dort mit einer offensiven Ausrichtung ins offene Messer läuft und dabie haben sie noch Glück gehabt. Außer dem Sonntagsschuß in der ersten Halbzeit haben die Essener kaum eine gefährliche Torchance gehabt. Und das sie uns nachher auskontern, daß kann man eben nicht verhindern, wenn man hinten aufmacht.
Abseits: Die defensive Zerstörertaktik ist Dir auch früher schon vorgeworfen worden, z.B. in Jena. Außerdem heißt es, Du bringst Mannschaften nur kurzzeitig nach oben ...
Wenn man mit dem Arsch an der Wand steht, dann muß man Punkte holen. Schön spielen kann man, wenn man oben steht. Daß ich längerfristig keinen Erfolg hatte stimmt nicht. Ich habe zum Beispiel mit den Reinickendorfer Füchsen den Aufstieg in die Regionalliga geschafft. In Jena waren wir Tabellenführer. Und auch in Stendal habe ich Erfolg gehabt. Da haben dann die Ziele des Vereins nicht mit meinen übereingestimmt.
Abseits: Wie siehst Du die Debatte um die Pyrotechnik?
Ich finde das astrein, wenn es in der Nordkurve leuchtet. Was gibt es denn schöneres? Aber es darf nicht zum Schaden des Vereins sein. Ich denke, die Pyrotechniker wollen den Verein unterstützen und ihm nicht schaden. Deshalb stehe ich auch zu den Fans. Aber noch mal: Es darf nicht zum Schaden des Vereins sein. Grundsätzlich finde ich, die Fans hier in Babelsberg haben ihren eigenen Stil. Zum Beispiel die Aktion in Chemnitz mit den weißen Anzügen war doch großartig.
Abseits: Aber einige Fans haben Stadionverbote erhalten. Und außerdem wurde Babelsberg eine Platzsperre angedroht. Wenn man die Sachen, die hier in Babelsberg passiert sind z.B. mit Leipzig oder Dresden bei den Derbys vergleicht, so ist das hier in Babelsberg doch ziemlich harmlos.
Also das mit den Stadionverboten habe ich so noch garnicht mitbekommen. Das sollten die Fans in den entsprechenden Gremien ansprechen. Und was Strafen durch den DFB angeht, bin ich der Meinung, daß die Strafe schon im Verhältnis zu den tatsächlichen Vorkommnissen stehen sollte.
Abseits: Wie findest Du die neue Imagekampagne?
Ich finde die Kampagne großartig. Sie zeigt eben, daß Babelsberg anders ist als andere Vereine. Es ist wichtig, daß sich der Verein über das Sportliche hinaus Gedanken macht.
Abseits: Wie siehst Du die Perspektiven für den Fußball hier in Babelsberg? Ist Nulldrei vom Potential und vom Umfeld her ein Verein für die Zweite Liga?
Das Stadion als reines Fußballstadion ist in jedem Fall zweitligawürdig. Und das Zuschauerpotential ist auch vorhanden. Ob die Stadt insgesamt zweitligatauglich ist, weiß ich nicht so genau. Im Umfeld müßte jedenfalls einiges getan werden. Ich bin ein großer Fan des oberen Trainingsplatzes. Man kann direkt vom Stadion hinlaufen. Der Platz ist eng und liegt geschützt. Schön wäre es aber trotzdem, wenn man in Stadionnähe noch ein oder zwei weiter Plätze hätte, vielleicht auch einen Kunstrasenplatz. Außerdem spricht die Berlinnähe für den Fußballstandort Babelsberg. Nachwuchsspieler, die sich zum Beispiel bei Hertha nicht durchsetzen, können hier ihre Chance nutzen.
Abseits: Es sind noch zwei Spiele bis zur Winterpause. Wie schätzt Du das Spiel gegen Verl und die Auswärtsaufgabe bei den HSV-Amas ein?
Ich bin fest davon überzeugt, daß wir das Spiel gegen Verl gewinnen werden. Und im Spiel gegen die Hamburger Amateure müssen wir aggressiv sein und dürfen sie nicht spielen lassen. Dann ist auch in Hamburg ein Punkt drin.
Abseits: Ein Satz zum Schluß!
Mir ist scheißegal wo einer herkommt, wenn er Freitags, Samstags oder Sonntags gewinnen will.
Abseits: Vielen Dank für das Gespräch.