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So sehen Sieger aus - aber sie hören sich anders an

Der Verein will sich ein Image aufbauen - aber beginnt nicht beim nahe liegensten: den Stadionsprecher auszuwechseln

Nach langem geduldigen Warten war es gegen Münster endlich soweit: Babelsberg hatte nach Ewigkeiten mal wieder ein Punktspiel zu Hause gewonnen. Und als dann der Schlusspfiff ertönte, hätte alles so schön sein können. Die Fans hätten sich freuen und ihre lange aufgestauten Emotionen in Gesänge, Gegröle oder sonst was fassen, also einfach ausgelassen sein können. Aber Hartmuth Behrenwald, der Mann, der in unserem Karli das Mikro in der Hand halten darf, hatte etwas dagegen. Als der Schlusspfiff ertönte, konnte auch er seine Emotionen nicht im Zaum halten. Durchaus verständlich, doch leider entlud sich dies bei ihm in befürchteter Weise: Einmal mehr missbrauchte er die ihm sorglos anvertraute Anlage und jagte grauenhafte Laute in die wehrlosen Stadionlautsprecher: Eine Endlosschleife des Plumptechnos "So sehen Sieger aus". Und schaffte es damit nicht nur, den Fans die lange nicht gekannte Freude sofort zu verleiden, sondern auch das gemeinsame Feiern von Mannschaft und Fans praktisch unmöglich zu machen.

"10 Affenstarke Partyheuler"

Das alles wäre nicht der Rede wert, wäre man ansonsten mit den Darbietungen Behrenwalds zufrieden. Doch leider bestätigte ja er nur seine üblichen desolaten Leistungen. Was will man aber auch von einem Mann erwarten, der mit Musik genauso viel anfangen kann wie Henryk Baluszynski letzte Saison mit dem Ball. Anscheinend besitzt er genau 1 (in Worten: einen) Tonträger ("10 Affenstarke Partyheuler" ?), denn jedes Mal quält er uns Zuschauer mit den ewiggleichen "Hits". Und nach einem Tor für Nulldrei muss natürlich "Cancan" ertönen (ist ja die offizielle, also "erlaubte" Torhymne aus der Bundesliga ? echt kreativ). Es nervt! Man wird das Gefühl nicht los, dass die Musik der letzten 50 Jahre mit all ihren Facetten spurlos an ihm vorbeigegangen ist. Anders lässt sich nicht erklären, dass er uns nur dumpfe Beats zu eintönigen Melodien a la DJ Bobo oder Vengaboys kredenzt mit denen man ihn sogar auf jeder mittelmärkischen Dorfdisco nach nicht mal fünf Minuten davonjagen würde. Vielleicht ist es in unserem Sprecherturm nicht bekannt, aber es gibt auch Lieder, die ohne eindimensionales Stampfen des Basses auskommen.

"Ist das Spiel eigentlich schon vorbei?"

Ganz abgesehen von der "Musik" beackert Behrenwald aber noch ein weiteres Feld, ohne dabei unnötig fachliche Kompetenz oder rhetorische Qualifikation anzudeuten: Das Stadionsprechen. Da werden Spieler ausgewechselt, die leider gar nicht auf dem Spielberichtsbogen, geschweige denn auf dem Platz stehen, Halbzeitresultate werden konsequent erst nach Beginn der zweiten Halbzeit verkündet ("Rot?Weiß Essen gegen Paderbom, äh, das Spiel findet morgen statt"). Unvergesslich auch sein Auftreten beim diesjährigen "Ball ist Bunt Finale. Während die besten Mannschaften des Turniers um die Krone spielten, hatte er nichts Besseres zu tun, als das Stadion mit seiner akustischen Umweltverschmutzung zu nerven und damit jegliches Anfeuern unmöglich zu machen. Zudem quatschte er ständig dazwischen ("Ist das Spiel eigentlich schon vorbei?") Da bleibt nur noch die Frage, welche Qualifikationen so ein Stadionsprecher haben muss. Anscheinend reicht es bei 03 aus, wenn man eine CD ins Abspielgerät legen und die Starttaste drücken kann. Nun ist es ja völlig klar, dass sowohl unterschiedliche Generationen als sowieso unterschiedliche Musikgeschmäcker im Stadion anwesend sind. Und es wird immer jemand was zu meckern haben. Doch es verlangt ja keiner die Quadratur des Kreises oder, wie Rudi Nationale kürzlich formulierte, "die Erfindung des heißen Wassers", also die permanente Zufriedenstellung aller. Nur: Wenn man das Niveau an den eingeschränktesten und folglich schlechtesten Geschmack anpasst, kann sich letztlich keiner ? von einem einzigen abgesehen wohlfühlen.

Neues altes Image. Dorfdisco im Bahnhof?

Und da der Verein ja gerade so bemüht ist, sich mit Hilfe einer Werbeagentur ein eigenes Image aufzubauen: Die Stadionatmosphäre ist dabei wohl nicht ganz unwichtig. Sie prägt letztendlich neben dem Auftreten der Mannschaft und den Aktionen der Fans das Image des Vereins. Mit dieser 0815?Beschallung jedoch, die sicher LR Ahlen oder Hertha BSC zur Ehre gereichen würde, erreicht man genau das Gegenteil: Verwechselbar, weichgespült, dumpfbackig ? eben einac schlecht. Der Stadionsprecher trägt für den Aufbau dieser Atmosphäre wesentlich bei ? sollte er jedenfalls. Dazu gehört unserer Meinung nach das Einstimmen er Zuschauer auf das Spiel, hin und wieder sprachlicher Witz und kein stumpfes Daherbeten oder gar Ablesen von (falschen) Fakten ? wir sind hier nicht auf dem Bahnhof Pirschheide ? und ein Gespür für die Situation.
Aber wir wollen mal nicht gleich zuviel verlangen. Der Verein hat ohnehin kein Geld, um einen talentierteren Sprecher (von denen es im nahe gelegenen Mediengelände sicher einige geben würde) zu bezahlen. Letztlich tut es eben auch ein Stadionsprecher, der kein sprachlich begnadeter Entertainer ist ? der aber bitte wenigstens mehr als eine Schallplatte haben sollte. Wir hätten kein Problem mit Schlagern aus den 20er Jahren (immerhin sind wir ja eine Filmstadt), mit Rock 'n' Roll aus den 50ern, Chansons aus den 60ern, Disco und Soul, Pop, Punk, Reggae. Das alles wäre auch finanziell keine Belastung, denn der Verein zahlt ohnehin pro Spiel eine Pauschale an die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs? und mechanische Vervielfältigungsrechte). Nur nicht immer dieser ewige Kirmestechno. Daher wäre es sogar zu begrüßen, wenn bei den Sparmaßnahmen des Vereins das Personal im Sprecherturm nicht tabuisiert wird. Damit wäre dann der Weg dafür geebnet, dass möglicherweise ? wie ei Tennis Borussia ? die Fans selber die Stadionmusik gestalten. Wir freuen uns jetzt schon auf den Diego?Maradona?Song. Ansonsten wird der Fußballgott, sollte er auch nur einen Hauch Musikgeschmack haben, dafür sorgen, dass Babelsberg wegen dem Geblöke weiterhin selten zu Hause gewinnt ? wäre nicht unverdient.

Mario & Joe Dasssin

PS. Und dem Stadionsprecher wünsche ich, dass ihm im Ohrinneren Lautsprecher wachsen, die ihm für den Rest seines Lebens dieses Gejaule vorspielen. Dann kann er immer seine Musik hören, egal ob beim Essen, beim Schlafen oder beim Zahnarztbesuch. Dann würde sich auch langsam das bisschen Denkorgan, welches er zur Verfügung hat, an das Niveau dieser Töne anpassen. Ich denke, dass das noch fast zu wenig wäre, für das was er bei jedem Heimspiel den Ohren der Zuschauer antut.

Mario

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