Exakt eine Woche ist er jetzt her: der wohl für mich deprimierendste
Moment als Anhänger des Babelsberger Fußballs. Selbst die sportliche
Misere mit dem Abstieg aus der zweiten und anschließend der dritten
Liga und auch nicht einmal die nachfolgende Insolvenz haben mich so schockiert,
wie die Vorfälle am 22.02.2004 in Schönberg (Mecklenburg-Vorpommern).
Es wird wohl nicht einfach für mich sein, jetzt einen halbwegs rationalen
Bericht zu schreiben, aber ich versuche mich wenigsten dergestalt an den
Fakten "lang zuhangeln", dass ein umfassendes Bild dieses Tages
entstehen kann - natürlich immer aus meinem Blickwinkel. Geschehnisse,
die ich nur aus den Erzählungen anderer kenne, werde ich auch dementsprechend
kennzeichnen.
Ich hatte zugegebenermaßen gehofft, dass mir nach sieben Tagen eine
etwas nüchternere Sichtweise auf diesen Tag möglich ist, aber
die Realität sieht anders aus, dabei sollte es eine entspannte Auswärtsfahrt
werden.
Um 8:30 trafen sich die reisewilligen Gefährten am Potsdamer Hauptbahnhof,
um den avisierten Regionalexpress zum Bahnhof Zoo mit Anschluss nach Bad
Kleinen zu besteigen. Von Bad Kleinen sollte es dann noch eine ca. halbstündige
Fahrt nach Schönberg geben, wo man dann auf die befreundeten Ultras
vom USP aus Hamburg treffen sollte.
Die Fahrt verlief weitestgehend entspannt. Lediglich die verschiedenen Zugbegleiter
fühlten sich ob der etwas größeren blau-weißen Anhängerschaft
und vor allem ihrer doch sehr diffusen Verteilung innerhalb des jeweiligen
Zuges ziemlich überfordert. Das Auffinden der zusammengehörigen
5er Gruppen für die erworbenen WE-Tickets war zugegebenermaßen
nicht immer ganz einfach, aber deswegen den Stop des Zuges androhen, halte
ich nach wie vor für übertrieben. Wir werden doch wohl nicht die
ersten Fußballfans in einem Zug der Deutschen Bahn gewesen sein. Ob
eventuell einige Reisende ohne gültigen Fahrschein unterwegs waren,
entzieht sich verständlicherweise meiner Kenntnis.
Ausgesprochen locker war hingegen das Auftreten der mitreisenden Polizeibeamten.
Vermehrt kam es zu kleinen Zwiegesprächen, in denen zum Beispiel auf
meine Frage, ob denn alles ruhig verlaufe, mit der Beschreibung der unproblematischen
Situation geantwortet wurde. Dies ist besonders unter dem Aspekt der späteren
Auseinandersetzungen doch sehr verwunderlich - soll heißen, die uns
begleitenden Beamten waren entweder über die befürchteten "links-autonomen
Randalierer" nicht informiert oder aber mussten spätestens jetzt
erkennen, dass es sich dabei wohl eher um eine fehlerhafte Vorbereitung
handelte.
Kurz vor dem Erreichen von Bad Kleinen erhielten wir eine Nachricht aus
Schönberg, die ich zu diesem Zeitpunkt allerdings ehrlich gesagt noch
gar nicht so dramatisch eingeschätzt hatte. Ein knappes Dutzend unserer
Fans war bereits einen Zug früher aufgebrochen und durfte sich bei
der Ankunft in Schönberg gleich einmal polizeidienstlichen Erkennungsmaßnahmen
unterwerfen. Da aber genauere Informationen fehlten, konnte dieser Sachverhalt
auch nicht weiter bewertet werden.
In Bad Kleinen angekommen hatten wir nicht wirklich viel Zeit. Dankenswerterweise
hatte unsere Polizeibegleitung bereits dafür gesorgt, dass eine leichte
Verspätung unseres Zuges in Bad Kleinen zur Kenntnis genommen wurde
und das letzte Transportmittel für das Erreichen von Schönberg
wartete auf uns. Dass man noch etwas länger als geplant warten musste,
lag an einem Transparent, dass einige der Nulldreier auf dem Bahnsteig direkt
unter dem Schild mit dem Bahnhofsnamen entrollten. "Es war Mord" spielte
auf die Vorkommnisse des 27. Juni 1993 an, als das mutmaßliche RAF-Mitglied
Wolfgang Grams auf eben diesem Bahnhof zu Tode kam. Wie die anwesenden Polizisten
auf das Zeigen dieses Transparents reagierten entzieht sich meiner Kenntnis,
jedoch habe ich einige Worte mit zwei Schaffnerinnen gewechselt, die sich über
den Inhalt des Transparents erkundigten. Meine Erklärung kommentierten
sie mit einem abfälligen "Ach das schon wieder!". Es scheint
also nicht so selten vorzukommen, dass sich in Bad Kleinen jemand daran
erinnert.
Dass diese Aktion später in den Kontext der Vorfälle von Schönberg
gestellt werden sollte, kann ich nach wie vor nicht mittragen. Abgesehen
davon, dass es nur eine Gruppe der babelsberger Anhänger war, die diese
Botschaft verbreiteten, haben sie dies definitiv nicht als Fußballfans
des SVB, sondern doch als Bürger dieses Landes getan, die ihre Meinung
auf diesem Weg ausdrücken wollten.
Der Zug setzte sich dann alsbald in Bewegung und das erste, was ich auf
dem Bahnhof von Schönberg wahrnahm, waren ca. 45-50 Personen, die uns
einen freudigen Empfang bereiteten. Neben den vorausgereisten Babelsbergern
standen da ca. 45-50 St.Paulianer, deren Zug wie schon weiter oben erwähnt
etwas früher angekommen war.
Natürlich gab es erst einmal diverse "Gesangseinlagen" der
nun Zusammengefundenen, ehe man sich in Richtung Sportanlage aufmachte.
Kaum hatten wir den Bahnsteig verlassen, wurden wir von einer Schar schwarz-grauer
Ordnungshüter in Empfang genommen. Da man ein derartiges Prozedere
schon bei anderen Auswärtsspielen erleben durfte, machte ich mir zu
diesem Zeitpunkt noch keine Sorgen, wunderte mich allerdings, dass es sich
hier ob der Uniformen augenscheinlich um eine Sondereinheit handeln musste.
Was mich aber noch viel mehr irritierte, war der uns ab jetzt begleitende
Videowagen - ein weißer VW-Kleinbus mit aus dem Dachfenster herausragender
Stativkamera.
Kaum hatte sich der Zug in Bewegung gesetzt ertönte das erste Mal
die Stimme eines Beamten durch den Lautsprecher. Unter Angabe der Uhrzeit
und dem Hinweis auf die "erste Aufforderung" wurde uns dringend
nahegelegt, die Straße zu verlassen und auf den Bürgersteigen
zu laufen. Zwei Minuten später dann die nächste Aufforderung.
Beide male wurde der Einsatz des Schlagstocks als Zwangsmittel angedroht.
Eine ähnliche - wenn auch bei weitem nicht so aggressive - Situation
hatten wir bereits beim Auswärtsspiel in Lichterfelde. Allerdings sollte
wohl für jeden Leser nachvollziehbar sein, dass zwischen dem Kopfsteinpflaster
der schönberger Dorfstraßen und dem doch ziemlich verkehrsreichen
Asphalt in Berlin ein gehöriger Unterschied besteht. Abgesehen davon
konnten die als Bürgersteig bezeichneten Straßenränder die
doch relativ große Gruppe von Fußballfans kaum aufnehmen. Auf
dem gesamten Weg zum Stadion nahm ich im Übrigen ein einziges ziviles
Fahrzeug war: ein 601er vom ortsansässigen "Trabant-Club" (den
hätten wir im Notfall ja noch über unseren Köpfen wegheben
können ;-))
Irgendwann müssen dann aber wohl auch die "Sonderkräfte" eingesehen
haben, dass ihre Forderung ziemlich unsinnig war, denn beim Einbiegen auf
den "Feldweg" zum Sportplatz waren wir dann doch wieder über
die gesamte Breite verteilt. Lediglich der Versuch durch forsches Auffahren
der VW-Busse auf die Fußgänger erinnerte noch an das alte Vorhaben.
Eine daraufhin in Richtung Sportanlage losrennende Gruppe von Babelsbergern
und Hamburgern (die genaue Anzahl ist mir nicht bekannt) wurde von den Polizeikräften
zu Fuß verfolgt. Grotesk mutet daher die nachfolgende Durchsage des
fast schon in Vergessenheit geratenen Lautsprecherwagens an, dass die Babelsberger
das Rennen auf Polizisten unterlassen sollten.
Beim Erreichen des "Jahnstadions" bekam ich dann das erste mal
wirklich ein mulmiges Gefühl, als ich auf dem Parkplatz das übergroße
mobile Gefängnis - einen Bus mit integrierten Zellen - wahrnahm. Ich
muss zugeben, dass ich mir erst jetzt darüber Gedanken machte, warum
eigentlich ein Sondereinsatzkommando zur Wahrung von Ordnung und Sicherheit
vor Ort war. Eine entgültige Klärung wird es wohl auf absehbare
Zeit nicht geben. Vermutungen möchte ich aber trotzdem weiter unten äußern.
Ziemlich drastisch wurde uns daraufhin klargemacht, dass wir uns zum hinteren
Eingang des Sportplatzes bewegen sollten, da der Haupteingang, der den einzigen
Weg auf die Tribüne ermöglicht hätte, durch uns nicht genutzt
werden dürfe.
Gerade aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse auf dem "Gästehartplatz" und
den unmöglichen Zuständen im Gästeblock (ein einziges Dixi-Klo
stnad für ca. 250 männliche und weibliche Gäste zur Verfügung),
gab es doch einige, vor allem Ältere, die sich lieber einen Platz auf
der Tribüne gesichert hätten.
Später wurde mir noch bekannt, dass gar ein Fotograf einer Potsdamer
Tageszeitung trotz einer offiziellen Akkreditierung erst durch die Hilfe
von SVB-Geschäftsführer Ralf Hechel durch den Haupteingang auf
das Gelände kam, da er mit einem Nulldrei-Schal bekleidet war.
Das Dixi-Problem konnte übrigens zumindest ansatzweise gelöst
werden, da man nach einigen Vermittlungsversuchen wenigstens den weiblichen
Anhängern den Besuch der Toiletten im Vereinsheim genehmigte. Die Aussage
eines Schönbergers, dass dieses Problem schon "traditionell" wäre,
ist so absurd, dass es fast schon wieder komisch anmutet.
Irgendwann begann dann auch das Spiel, wobei unsere Matadore diesen Beginn
augenscheinlich nicht so ganz mitbekommen hatten. Trotz allem war die Stimmung
gerade im Ultra-Block ganz ordentlich. Es wurde sogar "getanzt"!
Nach ca. 20-30 Minuten nahm ich die Worte einer neben mir stehenden Person
war: "Jetzt werden wir wohl eingesperrt?" Auf meine Nachfrage
erhielt ich den Hinweis auf die Eingangstore. Ich war aber zu diesem Zeitpunkt
noch der Meinung, dass diese nicht wirklich ver- sondern lediglich geschlossen
wären und im Notfall einfach geöffnet werden könnten.
Später erfuhr ich, dass es wohl einen Anhänger gegeben haben soll,
der seine Notdurft nicht in dem von Wartenden umsäumten Dixi verrichten
wollte, sondern dazu den Schutz der Bäume gegenüber des Stadioneingangs
nutzen wollte. Ein Verlassen des Pltzes war ihm allerdings ob der verschlossenen
Tore zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.
Aufgrund der sehr starken Polizeipräsenz machte ich mir im Verlauf
fast mehr Sorgen um die mitgereisten Fans als um die Mannschaft auf dem
Platz. Mittlerweile war mir nämlich zu Ohren gekommen, dass eventuell
noch Pyrotechnik gezündet werden sollte. Zwar hatten sich die Sondereinsatzkräfte
zurückgezogen und den Einsatz an die Bereitschaftspolizei aus Schwerin übergeben,
aber ihre Anwesenheit war unübersehbar.
Vor Beginn der zweiten Halbzeit wurde aus dem Gerücht dann Realität.
Aus der Gruppe unserer Ultras wurde eine ziemlich große Menge Rauch
gezündet. Außerdem gab es auch noch einige bengalische Fackeln.
Diese wurden dann unverständlicherweise über die Platzumrandung
geworfen. Während der Großteil dabei auf der Aschenbahn landete,
gelangten auch zwei - drei auf das Spielfeld. Dass eine sogar bis vor das
Tor des schönberger Keepers geworfen wurde, habe ich nicht mitbekommen
- aber der Tatbestand als solches ist schon verwerflich genug, da es bisher
immer die Devise in Babelsberg war, dass der Rasen tabu ist. Genau unter
der Prämisse gab es für mich immer eine moralische Legitimation,
obwohl ich mir natürlich bewusst bin, dass die Statuten der deutschen
Fußballverbände Pyrotechnik verbieten.
Es ist aber wohl davon auszugehen, dass die Polizei auch ohne dieses Werfen
eingegriffen hätte und so verweilte ich bewusst in sicherem Abstand.
Darüber hinaus hielt ich auch noch einige unserer jüngeren Fans
davon ab, beim Einschreiten der Ordnungskräfte in den "Brandherd" vorzudringen.
Die Polizisten beschränkten sich zu diesem Zeitpunkt allerdings darauf,
den Block zurückzudrängen. Nach einigen Wortgefechten und kleinen
Rangeleien zogen sie sich dann sogar gänzlich zurück. Das überraschte
mich, da ich mit einer so "soften" Herangehensweise nicht gerechnet
hatte. Ich war mir ziemlich sicher, dass man nach Auswertung der Videoaufnahmen
versuchen würde, die Verantwortlichen ausfindig zu machen und stellte
mich darauf ein, dass es eventuell beim Verlassen des Sportgeländes
noch zu der ein oder anderen Auseinandersetzung kommen würde.
Die Lage hatte sich nun wieder beruhigt und man widmete sich dem Spiel.
Ich persönlich auch und da unser "Capo", der im Zuge des
polizeilichen Einschreitens von der Aschenbahn verwiesen und seines Megaphons
entledigt wurde, versuchte, wieder Stimmung zu machen, gesellte ich mich
zu ihm. Immer mehr Fans kehrten im Verlauf an die Balustrade zurück
und konzentrierten sich darauf, der Mannschaft den notwendigen Anschub zu
geben, um das Spiel vielleicht doch noch zu drehen. Einer der mitgereisten
Ordner des SVB (der allerdings privat anwesend war) brachte nach einiger
Zeit wieder das Megaphon zurück, welches er, wie er mir mittlerweile
berichtet hat, von einem der Polizeibeamten ausgehändigt bekommen hatte.
Nachdem sich nun immer mehr Nulldreier um den "verbannten Capo" sammelten,
nahm dieser dann auch wieder sein Megaphon zu Hilfe, um die supportwilligen
anzuheizen. Kaum hatte er damit begonnen erschien ein behelmter Beamter
des Sonderkommandos und versuchte ihm mit den Worten "Wie of soll ich
es denn noch sagen?" das Megaphon wieder abzunehmen. Dieses scheiterte
anfangs daran, dass der "Capo" seine Hand gar nicht so schnell
aus dem Haltegriff bekam. Mein Versuch, beruhigend darauf hinzuweisen, dass
es doch keinen Grund für eine Nichtverwendung des Megaphons gebe, scheiterte
mangels Beachtung seitens des Polizisten. Plötzlich griff jemand über
meine Schulter und versuchte ihm, den Schlagstock aus dem Halfter zu ziehen,
was ihm wohl aber nicht gelang. Genau konnte ich dies nicht nachvollziehen,
weil ich plötzlich einen Schlag in die rechte Hüfte erhielt und
nach links weggedrückt wurde. Erst jetzt bemerkte ich, dass bereits
eine große Anzahl behelmter Sondereinsatzkräfte in kompletter
Montur hinter uns stand, die uns vehement durch Stoßen und Schubsen
zur Seite abdrängten. Dabei wurden wir auch permanent angeschrieen.
An den Inhalt kann ich mich nicht wirklich erinnern. Nachdem ich dann das
zweite mal "unsanft berührt" wurde - dieses mal mit der flachen
Hand an der Schulter, wobei ich rückwärts ins Straucheln kam -
versuchte ich umgehend aus dem Brennpunkt zu entkommen. Ich ging zu diesem
Zeitpunkt davon aus, dass es sich nur um eine Reaktion auf die versuchte
Entwendung des Schlagstocks handeln konnte und war mir sicher, ein paar
Schritte zur Seite würden mich quasi in "Sicherheit" bringen.
Allerdings begannen in diesem Moment alle um mich herum loszurennen. Sowohl
Fans als auch Polizisten. Ich rannte in Panik versetzt instinktiv mit, ohne
genau zu wissen, wohin. Als ich mich immer mehr dem Zaun der Anlage näherte,
bekam ich es richtig mit der Angst zu tun, da ich bemerkte, dass die Beamten
des Sonderkommandos in ihrer "Hetzjagd" nicht innehielten. Dies änderte
sich erst, als ich direkt vor dem Zaun zwangsläufig zum Stehen kam.
Allerdings wurden wir weiterhin mit Hilfe von Schlägen mit der Hand
und permanenten Schubsen weiter vor dem Zaun zusammengedrängt. Da ich
mich nun umgedreht hatte, wurde ich der schlimmsten Szenen gewahr, die ich
bisher beim Fußball erlebt habe. An mehreren Stellen auf dem Hartplatz
waren Fans zu Boden gerissen und von einem oder mehreren Polizisten "behandelt" worden.
Dabei konnte ich mehrfach die Verwendung des Schlagstocks beobachten. Auch
im Kreis der nun Eingekesselten gab es Auseinandersetzungen mit der Polizei,
da wohl einige versuchten aus der Umzingelung zu entkommen. Einigen gelang
das auch, wie ich später erfuhr. Übrig blieben ca. 60-70 Personen,
die nun zusammengepfercht waren.
Ich war so entsetzt und aufgebracht, dass ich permanent den vor mir stehenden
Polizisten anschrie. In diesem Moment sah ich darin die einzige Möglichkeit
um mich gegen diesen für mich auch nicht ansatzweise nachvollziehbaren
Einsatz zur Wehr zu setzen. Um zumindest deeskalierend einzuwirken, hatte
ich mir instinktiv die Kapuze vom Kopf und meine Handschuhe ausgezogen.
Ich fragte permanent, was das alles solle, warum ich hier festgehalten werde,
warum man die zu Boden gerissenen so misshandele und drückte mehrfach
mein Begehr aus, sofort vorbeigelassen zu werden, da ich nicht das geringste
getan hätte. Allerdings durfte keine Reaktion seitens des vor mir Postierten
vernehmen. Ich war so fertig, dass ich mich nicht einmal daran erinnern
kann, ob es zu diesem Zeitpunkt noch SEK-Beamte oder bereits Bereitschaftspolizisten
waren, die uns in Schach hielten.
Definitiv war es aber ein "grünuniformierter" der mir, nachdem
ich mich als Mitglied des Aufsichtsrats von Babelsberg 03 zu erkennen gab,
erklärte, dass ich mich im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme
befinden würde, da der Verdacht auf Landfriedensbruch bestünde.
Meine Frage über den Fortlauf der Dinge wurde mit der primitiven Feststellung,
dass ich dies schon noch mitkriegen würde, beantwortet.
Mehrfach erklärte ich ihm darauf, dass ich mit dieser Antwort nicht
zufrieden sei und man mir Auskunft über die genauen Gründe geben
solle, was aber nicht geschah.
Während ich mich mit dem Beamten unterhielt - mittlerweile hatte ich
mich auch wieder etwas beruhigt - versuchte ein jüngerer SVB-Fan über
den Zaun zu "entkommen". Sein Vorhaben scheiterte allerdings und
er wurde umgehend von zwei Beamten zu Boden gedrückt und abgeführt.
Im Zuge dieser Aktion wurde unsere Gruppe erneut zusammengedrängt.
Als ich wiederum einen Schlag abbekommen hatte, warf ich dem austeilenden
Beamten vorwurfsvoll entgegen, dass er dies gefälligst zu unterlassen
habe, da ich nichts getan hätte, was einen erneuten Angriff auf mich
rechtfertige. Sein Kollege, mit dem ich mich gerade unterhalten hatte, könne
das bezeugen. Dieser allerdings blickte mich nur starr an, ohne auch nur
einen Ton von sich zu geben. Kurioserweise gab mir aber ein danebenstehender
Beamter mit den Worten Recht: "Das stimmt, der hat wirklich nichts
getan!"
Augenscheinlich waren die Einsatzkräfte derart überfordert mit
der Situation, dass sie sich selbst nicht darüber im Klaren waren,
wie sie reagieren sollten.
Nach und nach beruhigte sich die Lage etwas und während ich mir Kenntnis
verschaffte, wer sich noch mit mir in dem Kessel befand, stellte ich fest,
dass an der von mir abgewandten rechten Seite damit begonnen wurde, einen
nach dem anderen "herauszuführen". Dies geschah im übrigen
nicht, indem man denjenigen aufforderte, mitzukommen, sondern jeweils zwei
Beamte "schleppten" den Auserwählten durch festen Griff am
Oberarm aus dem Kessel.
Von unserem Fanbetreuer Gregor Voehse erhielt ich nun die Information, dass
jeder zur Feststellung der Personalien mitgenommen werde. Was ich zu diesem
Zeitpunkt noch nicht wusste: nach der erkennungsdienstlichen Maßnahme
wurden die Personen in den mittlerweile vor dem Ausgang postierten Gefängnisbus
gesperrt.
Die Zahl der Personen im Kessel nahm aber trotzdem nicht ab, da immer wieder
Fans unter den absurdesten Umständen hineingedrängt wurden. Der
Versuch eine Zigarette von einem Eingesperrten zu erschnorren mutet dabei
schon etwas naiv an, dass zwei weitere allerdings "integriert" wurden,
weil sie einem Kumpel ein Bier hineinreichen wollten, ist nun völlig
unverständlich.
Kurios war auch der Versuch eines Vorstandsmitglieds von Babelsberg 03,
mit mir Kontakt aufzunehmen. Nachdem man ihn trotz mehrfacher Hinweise auf
seine Tätigkeit von seiner Seite, aber auch von mir, permanent wieder
abgedrängt hatte, durften wir dann letztendlich doch miteinander reden.
Ich musste dazu einen Schritt aus dem Kessel heraustreten. Er durfte etwa
einen Meter vor mir stehend mit mir kommunizieren während um uns herum
die Ordnungshüter darauf achteten, dass wir ja nichts falsches täten.
Insgesamt stand ich ca. eine Stunde so in dem Kessel, als die Gruppe sich
auf etwa 20 Personen reduziert hatte. Da ich immer noch davon ausging, dass
man nach der Feststellung der Personalien aus der Gewahrsam entlassen wäre,
versuchte ich nun bewusst möglichst schnell herangezogen zu werden.
Als ich mich beim nächsten Auftreten der auswählenden Polizeibeamten
freiwillig melden wollte und der erste sogar schon versucht war, seinen
obligatorischen Griff anzusetzen, vernahm ich von seinem Kollegen die Aussage,
dass ich erst zum Schluss behandelt werden sollte.
Ich weiß nicht, ob mein permanentes Einreden auf die Beamten, mein
Status als Aufsichtsratsmitglied des Gastvereins oder vielleicht wirklich
endlich die Auswertung der Videoaufnahmen dazu geführt hatten, aber
scheinbar spielte ich in der polizeilichen Maßnahme keine wirkliche
Rolle mehr.
Die Gruppe reduzierte sich weiter und als nur noch ca. 10-15 Personen im
Kessel waren nahmen die postierten Bereitschaftspolizisten ihre Helme ab.
Augenscheinlich wurden wir verbliebenen als nicht gefährlich eingestuft.
Nun wurden auch noch von uns die Personalien erfasst - da ich meinen Ausweis
nicht mit mir führte, bedurfte es einer Person, die meine Angaben bestätigte.
Wir wurden untersucht und mussten abschließend unsere Personalien
noch einmal vor laufender Kamera aufsagen.
Sowohl bei der ersten Erfassung meiner Daten als auch vor laufender Kamera
wurde mir dabei verwehrt, zu dem Polizeieinsatz Stellung zu nehmen. Es wäre
mir wichtig gewesen, dass meine Empfindungen neben meinen persönlichen
Daten protokolliert gewesen wären.
Einige Zeit wurden wir noch in "Offener Polizeigewahrsam" festgehalten.
Dann durften wir umfangreich belehrt den Heimweg antreten. Wir wurden ausdrücklich
von einem Beamten darauf hingewiesen, dass wir auf dem direktesten Weg zum
Bahnhof zu gehen hätten. Da er uns dabei in der Mehrzahl mit "ihr" ansprach,
konnte ich es mir nicht nehmen lassen, meinerseits auf eine entsprechenden
Umgangsform zu bestehen. Dies tat er dann auch, indem er mich nochmals "sietzenderweise" allein
belehrte. Das mag penibel gewesen sein, aber der plötzliche freundschaftliche
Umgangston war mir dann doch etwas zu viel des Guten. Überhaupt waren
die Beamten plötzlich mehr als legère in ihrer Auslegung diverser
Handlungen. So konnte ein Babelsberger unbehelligt mehrfach mit den Händen
auf dem Rücken eines Polizisten "herumtrommeln" und ihm dabei
mitteilen, er wolle jetzt Playstation spielen, da ihn das Symbol des zugehörigen
Polizeizugs scheinbar an einen PS-Controller erinnerte.
Könnte es vielleicht sein, dass die Ordnungskräfte selbst festgestellt
hatten, dass sie völlig überzogen reagiert haben, dass sie aus
einem - wenn auch verbotenen, so doch trotzdem verhältnismäßig
banalen Vergehen - eine Situation hervorgerufen hatten, die völlig
außer Kontrolle geraten war?
Warum war überhaupt ein Sonderkommando vor Ort? Später erfuhr
ich auch noch, dass diverse Gaststätten in Schönberg die Auflage
erhalten hatten, ihre Türen an diesem Tag geschlossen zu halten, da "links-autonome
Randalierer" aus Babelsberg und Hamburg erwartet würden.
Kann es eventuell sein, dass hier Informationen über die zusätzliche
Unterstützung der Jungs von St. Pauli eventuell benutzt wurden, um
ein Exempel zu statuieren, nebst Trainingseinsatz für das Sondereinsatzkommando?
Was rechtfertigt die Repressionen schon bei der Ankunft des ersten Zuges?
Welcher Einsatzleiter besitzt so viel Sensibilität, einen Gefängnisbus
direkt vor dem Gästefanblock zu parken? Warum wurde der einzige Ausgang
des Fanblocks schon lange vor der Pyro-Show verriegelt, so das beim Einschreiten
der Polizei ja niemand fliehen kann und wie ist das überhaupt sicherheitstechnisch
zu vertreten?
Warum dient die absurde Wiederbeschlagnahmung eines Megaphons als Auslöser
für eine Hetzjagd über den Hartplatz?
Warum erklären Polizisten immer wieder, dass wir doch selbst Schuld
wären, wenn wir Pyro zünden würden um gleich darauf von einem
Verdacht auf Landfriedensbruch zu berichten? Die Pyrotechnik dürfte
ja maximal als Körperverletzung angesehen werden.
Warum ist der Einsatzleiter (wie ich später von einem Mitglied des
Vorstands erfahre) während der Vorkommnisse angeblich mit der Presse
beschäftigt, während der Einsatz selbst scheinbar von einem Beamten
des Sonderkommandos geführt wird?
Und warum stellt sich der Sprecher des Innenministeriums Wiechmann hin und
weist Augenzeugenberichte zurück, wonach bei der Aktion unbeteiligte
Zuschauer betroffen waren? Abgesehen davon, dass über keinen der Festgesetzten
bisher ein Urteil gesprochen wurde, bin ich definitiv unbeteiligt und werde
daher auch die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Was war wirklich der Hintergrund der Aktionen oder bin ich einfach nur
paranoid und naiv? Wird es in Zukunft normal sein, dass man zwangsläufig
als Fußballfan zum "Beteiligten" wird und keine Chance hat,
sich gegen ein derartiges Vorgehen der Polizei zu wehren? Wie ist das dann
aber vor dem Hintergrund zu bewerten, dass Gästefans die Chance verwehrt
wird, den Gästefanblock zu meiden und Platz auf der Tribüne zu
nehmen? Zumindest in diesem Punkt muss auch dem Verein Schönberg 95
als Ausrichter eine absolute Verantwortung zugesprochen werden. Dieser sind
sie aber an diesem Tag nicht im Geringsten nachgekommen.
Was aber, wenn sich die Fronten jetzt verhärten? Die mit durch die
Vorfälle zwangsläufig geprägten jugendlichen Fans jetzt das
große Feindbild "Polizei" aufbauen und sich schon im Vorfeld
auf Konfrontationen einstellen. Auf der anderen Seite die Ordnungshüter
im Bereich der Oberliga immer unsensibler mit diesen Jugendlichen umgehen
und immer extremer reagieren.
Irgendwann haben wir dann in Babelsberg ein echtes Gewaltproblem. Und das
gerade hier, wo das Fanprojekt in den letzten Jahren sehr erfolgreiche Arbeit
geleistet hat, wo die Fans wenn auch mithilfe illegaler Pyrotechnik immer
den Support ihrer Mannschaft als Happening gesehen haben und nicht die Zeit
nach dem Abpfiff.
Und das ganze zwei Jahre vor der WM im eigenen Land. Wenn das der richtige
Weg ist, potentielle Zuschauer im Vorfeld aufgrund von banalen Vergehen
zu Schwerstkriminellen zu machen, dann kann man sich wohl darauf einstellen,
dass die Konflikte erst recht stattfinden werden. Zwar nicht in den Stadien,
da sitzen ja nur noch Firmenbosse und Günstlinge aber dafür umso
mehr auf den Bahnhöfen, den Plätzen der großen Städte
und in Kneipen in denen die so ausgeschlossenen dann die Spiele verfolgen
werden.
Ich hoffe ganz inständig, dass es seitens der Verantwortlichen noch
in naher Zukunft zu einem Umdenken kommt und wir werden in Babelsberg eine
ganze Menge tun müssen, um das Vertrauen der Jugendlichen in die Gerechtigkeit
und die Rechtmäßigkeit wieder herzustellen, wobei es mir angesichts
der Erfahrungen von Schönberg vorkommt, als müsste ich ihnen das "Blaue
vom Himmel" vorlügen.
Abschließen möchte ich mit einem sinngemäßen Zitat
von Andreas Klose, seines Zeichens Dozent an der FH Potsdam und Mitbegründer
des ersten deutschen Fanprojekts in Berlin.
"
Es stimmt nicht, dass man im Stadion keine Rechte hat, es fällt nur
viel schwerer, diese durchzusetzen."
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Schöne Pisse
Da gab es nämlich Tags zuvor dieses Vorhaben, eine möglichst zeitige Regeneration
per Nachtruhe zu vollziehen. Auf dem Heimweg tat ich dieses sogar noch dem
beneidenswert benommenen Ruppi kund, der sich in die selbe Tram verirrt hatte
und ebenso "Nause" wollte.
Blöderweise streifte ich unglücklich diese Bar und es drang ein Gesang an
mein Ohr, und diese Stimmen sprachen so sanft .... Und dann, dann war alles
wie immer.
Nun denn, der Morgen erbrach sich vor mir und so begab ich mich, selbstredend
nicht ohne Geld und Zigarretten liegen zu lassen und mit der vertrauten Grundübelkeit
gen Bahnhof. Gut, daß es für die Nikotinversorgung noch einen dafür prädestinierten
Widzew-Fan und Wodkaphilosophen gibt, dessen Name aus steuerrechtlichen Gründen
geheim bleiben muß, aber nennen wir ihn mal Lapa. Meine Geschmacksorgane ließen
mich zustandsbedingt derart im Stich, daß ich zwar kein Urteil über den RegioExpressKaffe
abgeben kann, ihn mir aber umso mehr schmecken ließ. Leider blieb keine Zeit
zu ergründen, warum Kleinen ein Bad im Namen trägt, da der Anschlußzug wohl
schon auf uns gewartet hatte. Das Entrollen der recht bekanntgewordenen Transpete,
war unspektakulärer als die Aufmerksamkeit die ihm zuteil werden sollte und
gehört eher in die Rubrik Helden-Fotos. Der Empfang in Schönberg war gleichermaßen
herzlich wie kalt; etwa fünfzig St. Paulianer empfingen uns singenderweis,
und etwa ebenso zahlreich, jedoch weniger singend, präsentierte sich eine
schwarkgekleidete Einheit der Schweriner Polizei, mit Discohorst-Gardemaß.
Offensichtlich wurde, ob der Ankunft Babelsberger Fußballfreunde, jegliche
Gastfreundschaft untersagt und eine Art Ausnahmezustand verhängt; die Gastwirtschaften
hatten wohl Inventur verordnet bekommen, Fenster und Türen waren geschlossen
zu halten, die Wäsche war eingeholt. Der Menge an Leuten wegen war es nicht
einfach die StVO einzuhalten, doch dank der aufmerksamen Hirten des "schwarzen
Schafes", wurden wir, lieblos aber bestimmt, auf den Bürgersteig gebellt.
Der belehrende Hieb in die Nieren, ließ mich den Fehler dann auch einsehen,
und ich trottete brav, den anderen Schafen gleich, mang de Spalier. Meinem
zunehmenden Harndrang konnte ich aus diesem Grunde ebensowenig nachgeben.
Die Erlösung, mein menschliches Bedürfnis angehend, ließ, wegen der wie üblich
andauernden und peniblien Grabbelei am Eingang, weiter auf sich warten. Nun,
herinnen aber, tat mir das belagerte Plasteklo wieder so leid, daß ich mich
zuvorderst der weit kürzeren Versorgungsschlange widmete und mich mit dem
längst fälligen Frühstück versorgte. Das Personal war, gemessen an der bisherigen
Betreuung, äußerst nett, aber wir waren ja auch nicht die erwartete brandschatzende
Meute irrer autonomer Vandalen. Ob die, das Areal beschützenden , Beamten
uas Mitgefühl oder Ekel beiseite traten, als ich etwas später panisch meine
Notdurft dem Zaun entrichtete, kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen, aber
einer mußte ja den Anfang machen und den immer größer werdenden Pulk vor dem
Dixi auslösen. Der Glühwein ging ebenso dampfend von mir, wie er gekommen
war und die Schweriner AG Video hatte was für ihr "Best of" zur nächsten Weihnachtsfeier
der Polizeigewerkschaft. Tut mir Leid, daß die Bullden daraufhin so austickten.
Ich will auch nie wieder an den Zaun pissen, versprochen!
m. |