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kahnheader.jpg 360x160 kahn1a.jpg 420x113 Sie nennen ihn das Tier, die Flanken-Flak, die Bayern-schwuchtel: Oliver "King" Kahn. Bester Keeper der Welt. Unsere Nummer eins bei der WM: der Super-Olli, das Torwartungeheuer, der große Blonde mit dem noch größeren Knall, der wo kein Grashalm mehr wächst, wenn der mal hinlangt, der "nie aufgeben", sondern "immer nur weitermachen" will. Genau den hat Fritz Tietz besucht.

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Dienstagabend.
Auch eine Stunde nach Trainingsschluß, liegt noch ein essig-saurer Schweißgeruch über dem Bayern-Gelände an der Säbener Straße.
Längst sind die Bayern-Profis in der Kabine bzw. Sabine (Scholl).
Nur einer rabackelt noch auf dem beheizbaren Übungs-Grün herum: Torwart Oliver Kahn kloppt Abstöße - mit dem Medizinball. Anschließend haut er seinen Schädel immer wieder gegen das Aluminium seines Gehäuses.
Torwarttrainer Sepp Maier schaut kurz vorbei. "Laß gut sein, Oliver," ruft er angewidert. "Du blutest ja schon wie a Sau." Trainingsalltag.
Endlich Feierabend. "Bin gleich so weit," zischt mir Kahn zu, während er auf der Trainingsbahreab-transportiert wird, aus mehreren Klaffwun-den blutend.
Bayern-Doc Wohl-fahrt erwartet ihn schon samt OP-Team. Eine Viertelstunde später kommt der Nationaltorwart frisch getackert und shampooniert aus der Umkleide gefedert. "Hallo auch!"
Kahns Händedruck ist wider Erwarten sehr lasch. Dazu läßt er kurz seinen Mittelfinger in meiner Handfläche kitzeln. - Der Detlefgruß ?
"Kleiner Spaß !" lacht der gebürtige Badener, ohne allerdings wirklich zu lachen, weil das mit einem so ausladenden Unterbiß gar nicht geht. Auf dem Weg zum Parkplatz boxt er mir einfach so in die Magengrube. Ich weiß nicht.
Kahns Auto hat vier Räder, vier Türen. Hinten dran ein Aufkleber: "Nicht hupen - Fahrer träumt vom WM-Titel."
Typisch! Ab geht's. Aus den Lautsprechern eiert Ambros, in der Mittelkonsole steckt eine Literflasche Adrenalin. Zwanzig Minuten später erreichen wir seine Paar-Millionen-Immobilie.
"Kahn, Torwart," lese ich auf dem Klingelschild.
Doch Oliver Kahn klingelt nicht. Er hat einen Schlüs-sel. Schon drängt er mich rabiat in den Fünf-Meter-Flur, brüllt: "Hallo Schatz, ich bin's." - "Wer denn sonst?" ruft Gattin Simone aus der Küche zurück. Ein eingespieltes Team, das merkt man sofort.
Dann zeigt mir Oliver Kahn ein paar Super-paraden quer durch's Wohnzimmer auf die Polsterlandschaft im FC-Bayern-Design. An der Wand darüber sehe ich Kahns Arier-Nachweis hängen. - Hobbys? "Ich denke mir in meiner Freizeit Religionen aus. Mit Göttern, Heilsver-sprechungen, Him-mel, Hölle, Sünden pipapo. Dabei kann ich bestens abschalten." - Lieblingsessen? "Alles, außer Gras. Das freß ich beruflich schon genug." Ich lache höflich über seinen faden Ulk, revanchiere mich mit einem klasse Gegen-witz. "Moment," sagt darauf "der Olli" (Uli Hoeneß) und verschwindet kurz im Keller, um abzulachen. Na bitte, geht doch.
Drei Minuten später ist er wieder da. - Ob er sich nicht mal den fürchterlichen Unter-biß machen lassen will, frage ich. Wortlos zieht Kahn einen mittelstürmeroberschenkeldicken Holz-scheit unterm Couch-tisch hervor, beißt ihn mit einem Kiefern-hieb entzwei. Alles klar. Keine weiteren Fragen.
Kahn leert derweil nachdenklich ein Fläschchen Adrena-lin. - Woran er gerade denke? frage ich mich. Und vor allem, womit? Kahn stiert ins DSF.
Später summt er mir irgendwas von Ambros vor. Plötzlich schneit Simone rein: "Olli, ich fahr noch schnell zur Post, ein Paket aufgeben." Da furiost der Torwart hoch, fast so wild wie auf'm Platz. "Nie aufgeben, hörst Du, niemals aufgeben," zetert er. Er zerrt Simone an den Haar-en runter, knallt ihr sein Knie ins Gesicht, brüllt: "Immer weiter machen, hab ich gesagt, immer weiter." Simone Kahn gibt sich geschlagen. "Na gut, dann gebe ich das Paket eben nicht auf. Dann laß ich's eben weitermachen. Meine Güte. Jetzt krieg Dich mal wieder ein, blöder Spinner." Ich denk mir mein Teil.
Endlich heißt es Abschied nehmen. "Schweres Spiel morgen," murmelt Oliver Kahn, "wie immer." Will mir dann unbedingt noch seine alte Winnie-Schäfer-Perücke aufschwatzen: "Ich brauche den Plunder nicht."
Ich allerdings auch nicht.

Fritz Tietz

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