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So ziemlich genau 4 Jahre war es her, als der komplette Vorstand des damals gerade neu gegründeten FC Munke sich mittels der A15 in Richtung Chemnitz bewegte. Das damalige Ziel: der erst- und einmalige Sachsen-Cup in der Chemnitzer Eissporthalle. Vier lange Jahre haben sich positiv auf den Erfahrungsschatz und das Organisationstalent der Munker ausgewirkt, so dass zur gestrigen Revival-Tour ein ermäßigter Stehplätzler als Verantwortlicher für die Fortbewegung engagiert wurde. Böse Zungen, die behaupten, ohne Stehplatz ermäßigt würde der FC Munke keine Auswärtsspiele mehr sehen, lügen. Das darf so nicht gesagt werden und wird demnächst zivilrechtlich und fankreisintern verfolgt.
Die Erinnerungen an den ersten großen internationalen Auftritt des FC Munke 4 Jahre zuvor wurden auf jeden Fall im Verlauf der doch verhältnismäßig kurzen Fahrt (was sich auch positiv auf die Abfahrtszeit auswirkte) wieder aufgewärmt. Wem lief nicht das Wasser im Mund zusammen, als man an das Bauernfrühstück oder auch das Wiener Schnitzel in irgend einem wahrscheinlich nie mehr identifizierbaren Dorfgasthof dachte. Nur ob die Heimkehr auch dieses mal so erfolgreich sein sollte, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand wissen. Immerhin hatte sich die Chemnitzer Vereinsführung unter der Woche dazu entschlossen, die aktuelle sportliche Schieflage durch den Rauswurf von „Trainerlegende“ Mathias Schulz zu revidieren. Was so ein Trainerwechsel in einer laufenden Saison für die ersten Spiele bedeuten kann, weiß man ja gerade in Babelsberg sehr gut. Auch waren unsere bisherigen Erfolge an der Gellertstraße eher als dürftig einzustufen.
Bei all diesen anstrengenden Überlegungen und den daraus resultierenden notwendigen Energiegetränken aus der schönen Stadt Radeberg waren wir im Null-Komma-Nix am Stadion. Unser Medienguru vom sagenumwobenen Herbstmeister hatte wieder mal die Nase korrekt in den Wind gehalten und zielstrebig den Gästeblock angefahren. Auch der dort befindliche Parkplatz stellte wie immer kein Problem dar; spätestens jetzt bewahrheitete sich wieder, dass die Munker eine ordentliche Vorbereitung absolviert hatten. Im Block enttarnten wie sofort die bereits angedrohten Anstreicher in ihren weißen 3,60 € - Baumarkt-Ganzkörperanzügen. Dass unser promovierter Oberindianer Schulten (Achtung: nicht als Beleidigung zu verstehen) später die 20 so eingekleideten und im Verlauf des Spiels mit diversen Winkelementen bewaffnet immer wieder den Kurven-Run suchenden Ultras mit den personifizierten Spermien aus Woody Allens „Was sie schon immer über Sex wissen wollten“ in Verbindung brachte, halte ich allerdings nach wie vor für sehr fragwürdig.
Ansonsten war der Block ganz ordentlich gefüllt. Die kurze Wegstrecke veranlasste den ein oder anderen Anhänger unserer geliebten Motor-Elf, erstmals zum Schlachtenbummler zu degenerieren. Die Stimmung war daher ganz okay; allerdings war unsere deutliche Überlegenheit in der ersten Halbzeit auf den Fanprotest der Himmelblauen zurückzuführen. Da diese auch wirklich in eben jener Farbe spielten, gab es für uns mal wieder allen Grund, die recht umstrittenen von mir selbst aber als optisch sehr reizvoll eingestuften Away-Shirts zu besichtigen. Damit wurden nämlich die entsprechenden Spieler eingekleidet und das nächste Revival stand an. Der letzte Auftritt in diesen Shirts brachte in Kiel immerhin einen Punkt und einen jungen Mann im Babelsberger Kasten das erste mal so richtig groß raus. Die Bedeutung dieser Erwähnung wird sich noch im Verlauf des Textes erschließen.Der Zufall wollte es nun, dass eben ein solches Trikot in dem von uns zur Fortbewegung gebrauchten Wagen lag. Dieses eine hatte ich hinterrücks einem damals völlig am Boden zerstörten Mittelfeld-Star in Kiel abgeluchst. Also wurde dies schnell organisiert und übergestreift, was sollte da noch schief gehen.
Die Anfangsphase des Spiels war vor allem durch eine erheblich hohe Zahl an Ballverlusten auf beiden Seiten und vorwiegend bereits im Mittelfeld gekennzeichnet. An heiklen Torraumszenen mangelte es daher. Jedes Team hatte genau einmal die Chance zum Torerfolg, wobei die Chemnitzer durch einen Pfostenschuss von Krieg etwas näher dran waren. Als alle sich schon auf die Stadionwurst in der Halbzeitpause einstellten kam es dann doch noch zum Torerfolg für unsere Nulldreier. Challa entschied sich kurz vor der Ausführung seines Freistoßes noch das Schussbein zu wechseln und die Chemnitzer Mauer gleichsam, eine kleine Polonaise durch den eigenen Strafraum zu vollführen und so dem Ball den Weg ins Tor frei zu machen. Der nachfolgende Anstoß war nur noch Formsache, denn zeitgleich schickte der Schiri die Jungs in die Kabine. Und wieder gab es allen Grund sich an etwas zu erinnern. Schon einmal entschied ein Freistoßtor in buchstäblich allerletzter Sekunde ein Spiel für uns. Damals in Bielefeld war es Röver der zum 1:0 traf. Einziger Unterschied: der darauffolgende Pfiff des Unparteiischen war der Schlusspfiff. Im jetzigen Fall hieß es noch 45 Minuten zu überstehen.
Als die Spieler dann wieder den Rasen betraten, durften sie auch gleich noch mal in die Katakomben zurück, denn unsere Ultrakriminellen hatten wieder mal ihr letztes Hemd verpfändet, um die doch recht niedrigen Temperaturen im Gästeblock durch entsprechende Feuer-Licht-Keiten anzuheben. Dass dabei auch einige Leuchtspurkugeln in den Chemnitzer Nachmittagshimmel abgefeuert wurden, gehört für meine Begriffe nicht zu dem von uns ständig propagierten kontrollierten Abbrennen von Pyrotechnik. Auch die herbeigeeilten Sicherheitskräfte hielten von der Vorstellung nicht viel und beförderten umgehend zwei Personen aus dem Block. Ob sie dabei die richtigen erwischt haben, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Der Rauch schien aber erst einmal die Hausherren zu motivieren. Angesichts der jetzt ihren Support wieder aufgenommenen heimischen Fans schnürten sie unsere Mannschaft mächtig in der Abwehr ein und die große ¾-Stunde des Oliver Herber begann. So defizitär sein Verhalten beim Ausgleichstreffer in Köln noch war, so grandios waren seine Reflexe gestern. Ich ertappte mich immer wieder dabei, einen gerade abgegebenen Schuss der Chemnitzer im Netz wackeln zu sehen. Um dann im selben Atemzug festzustellen, dass Herber samt Ball zum Abstoß schreitet. Überzeugend in dieser Phase auch die Leistung von Jens Härtel, der ja in den letzten Wochen und Monaten keinen so guten Stand bei mir hatte,sich aber nach und nach den gebotenen Respekt erarbeitet.
Ein bisschen Glück hatten wir natürlich auch, zumal Chemnitz zweimal nach erhobener Abseitsfahne des Assistenten den Ball über die Linie drückte. Aber ob der kämpferischen Einstellung kann man nicht von einem unverdienten Sieg sprechen, obwohl man mit einem Unentschieden auch hätte leben müssen. Aber da gewinnen ja bekanntlich mehr Spaß macht als zu verlieren, wurde das erste „Zu Null Spiel“ seit dem oben bereits erwähnten Auftritt bei der Arminia aus Bielefeld entsprechend gefeiert. Die etwas eilig bemühten Sicherheitskräfte gestatteten mir bei ihrem Versuch, den Gästeblock möglichst schnell leer zu kriegen, dann doch noch, in Ruhe mein Bier auszutrinken und mir meinen Pfand ausbezahlen zu lassen. Und nachdem unsere mitgereisten Pressevertreter von der für sie anberaumten Konferenz zurückkehrten, der obligatorische Small-Talk am Mannschaftsbus mit dem Gefühl, genug genervt zu haben, beendet wurde, ging’s wieder Richtung Autobahn und auf die Rückfahrt ins heimische Potsdam respektive Babelsberg.
Auf eben dieser wurden die versteckten Raffinessen und offenkundigen Grandiositäten des Spiels, der desolate Zustand der Chemnitzer Vorortbebauung sowie der Bedarf an noch mehr Fanclub-Turnieren gerade im Hinblick auf das demnächst anstehende 100-jährige Dasein unseres Provinzvereins analysiert. Beim „Fast-Food-Zwischenstop“ nahe Grimma erbrachte mein aufdringliches Nachfragen auch noch, dass das amtliche Kennzeichen MTL nicht für Montreal sondern für Mulde-Tal-Kreis steht, was zumindest die These Auswärtsfahrten erhöhten den individuellen Wissensstand bestärkte. Ob es eine solche These überhaupt gibt, ist mir allerdings nicht bekannt, soll hier aber auch nicht weiter hinterfragt werden. Daheim angekommen zog es uns dann noch zu all den mitgereisten und daheimgebliebenen FußballkumpelInninen, die wir dann auch erwartungsgemäß im Waldschloß bei Bier und Rock’n’Roll antrafen. Also ließen wir es uns nicht nehmen, uns dem Genuss des erwähnten Getränks hinzugeben und auch das ein oder andere Liedchen für die ein oder andere Leibeskrümmung zu nutzen.
Ein wieder mal rundum gelungener Trip fachmännisch organisiert und souveränüber die Bühne gebracht von dem mir so ans Herz gewachsenen Reiseunternehmen Ewald-Tours.

chrischan

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