Seit Jahren berichtet unser Abseits- Auslandsreporter Region Osteuropa:
Andre B. unregelmäßig über den Fußball in den von
ihm bereisten Ländern. Einige seiner letzten Reisen führten ihn
u.a. nach Armenien und Slowenien...
Im Mai letzten Jahres bereiste ich zum zweiten Mal das fußballerische
Niemandsland Armenien. Hatte ich im Jahr zuvor noch mit meiner damaligen
Freundin die Reise gewonnen, besuchte ich diesmal (m)eine neue Freundin – in
Jerewan, der Hauptstadt Armeniens.
Zur Geschichte:
Armenien ist ein kleines Land im südlichen Kaukasus, so groß wie
Belgien, und relativ isoliert. Die Grenzen zu den muslimischen Nachbarn
Türkei und Aserbaidschan sind geschlossen, die Georgier im Norden gehören
ebenfalls nicht zu den beliebtesten Nachbarn, und im Süden grenzt der
Iran, und der ist bekanntlich auch muslimisch. Armenien hingegen ist ein
christliches Land, welches das Christentum vor 1700 Jahren zur Staatsreligion
erhob. Als erstes Land der Welt. Vor knapp 100 Jahren war Armenien noch
viel größer als in diesen Tagen, aber durch den Genozid (Völkermord,
Anm. d.Red.) der Türken 1915 am armenischen Volk, verringerten sich
Land und Leute. Die Türken hatten vor, das armenische Volk völlig
auszurotten. Nur einen Armenier wollten sie am Leben lassen, um ihn dann
im Museum auszustellen. 1,5 Millionen Armenier fielen diesem Wahn zum Opfer.
Das ganze ehemalige Westarmenien ging verloren. Heute liegt auf dem Gebiet
der Osttürkei der heilige Berg der Armenier, der Ararat (5165 m), sowie
auch die alte Hauptstadt Ani, beides kurz hinter der Grenze und doch nicht
zu erreichen...
In den neunziger Jahren machte der Konflikt um Berg-Karabach Schlagzeilen.
Dieses Gebiet gehört zu Armenien, ist aber völlig von Aserbaidschan
umgeben. 1988 suchte ein schweres Erdbeben den Norden Armeniens heim. 25.000
Menschen verloren ihr Leben, eine halbe Million Menschen wurde obdachlos,
die zweit- und drittgrößte Städte (Gjumri und Vanadzor)
wurden stark zerstört. Man kann teilweise heute noch die Zerstörung
des Bebens sehen. Es leben 3,5 Millionen Menschen in Armenien, ungefähr
noch mal so viele leben im Ausland. Hauptstadt ist Jerewan. Landschaftlich
reizt der Norden mit seinen Bergen, der Hochgebirgssee Sevan, der unwegsame
Süden sowie die vielen alten Kirchen. Ein besonderes Erlebnis ist es,
den riesigen Berg Ararat vollständig zu Gesicht zu bekommen (ich hatte
nur einmal dieses Glück), da er meist von einer Wolkendecke umhüllt
ist. Da dieser Berg nur knapp 50 km von Jerewan entfernt ist, erschlägt
einen der Ararat mit seiner Größe förmlich. Schön ist
es abends in Jerewan (wenn es nicht ganz so heiß ist) in den vielen
Cafes und Gaststätten der Stadt draußen zu sitzen und gutes armenisches
Bier zu trinken.
Der Rasensport:
Fußball hat in Armenien keine wirklich große Bedeutung. In den
wenigen Stadien des Landes verlieren sich ebenso wenige Zuschauer. Das größte
Stadion ist das „Hrazdan“-Stadion in Jerewan mit Platz für
75.000 Supporter. Dort finden aber nur große Länderspiele statt.
Die meisten Spiele finden im kleineren „Republik“-Stadion statt.
Das „Republik“ ist ein superschönes Stadion im Herzen Jerewans,
mit Säulen und vielen bunten Sitzen, und immerhin Platz für ca.
25.000 Zuschauer. Bei meinen drei Spielen, die ich in Armenien sah, landete
ich immer in diesem Stadion.
Als ich bei meiner ersten Reise vor 2 Jahren, diesen Ground nehmen wollte,
lief auch gerade ein Spiel. Es dauerte dann doch einige Zeit bis wir überhaupt
wussten, wer dort auf dem Rasen aufdribbelt. Grund dafür war eine schwer
entzifferbare Anzeigetafel. Nicht das ich meine Brille nicht auf hatte,
allein die armenische Schrift bereitete Schwierigkeiten. Am Ende machten
sich 6 Jahre Schulrussisch bezahlt: Spartak Jerewan gegen Lori Vanadzor
hieß die Partie. Das Spiel war für Spartak - Fans, ähnlich
wie für Babelsberger in dieser Saison, recht kurz bzw. langweilig,
gewann doch ihr Team 8:0. Lori stieg dann auch ab.
Auf Grund der höchstens 100 Zuschauern dachte ich, es sei ein Spiel
der dritten oder vierten Liga, aber es war die erste Liga und wie erwähnt,
das Interesse an diesem Sport ist hier nicht groß.
Bei meiner Rückkehr nach Armenien, im letzten Jahr, standen innerhalb
von vier Tagen Halbfinale und Finale des armenischen Pokals auf den Plan.
Im Halbfinale traf Pyunik Jerewan auf Banants Jerewan. Halbzeit 1:0 für
Pyunik, nach 90 Minuten 1:1. In der Verlängerung erzielte Banants ein
Golden Goal und stand im Finale. Im Gegensatz zum Meisterschaftsspiel vom
Vorjahr waren bei diesem Semifinale schon einige Zuschauer mehr im Stadion
(ca. 500). Das ließ für´s Finale hoffen. Dieses wurde an
einem Dienstag ausgetragen. Ein weiterer Beweis für die Popularität „unseres“ Lieblingssports.
Banants traf auf MIKA Aschtarak (einen kleinen Ort nahe Jerewans), und das
vor schätzungsweise 2000 Zuschauer (!). Eintritt war wie immer frei,
eine prima Geste der Armenier, in Deutschland hingegen kaum vorstellbar.
Bier gab es keines im Stadion, aber jeder kaute und spuckte die obligatorischen
Sonnenblumenkerne. Das Spiel war sportlich keine Offenbarung... eher mittelprächtig,
amateurhaft. Beide Mannschaften schossen sich lieber gegenseitig an, als
den Ball ins Tor zu schießen. Bis fünf Minuten vor Schluss stand
es so noch torlos unentschieden, dann bekam MIKA einen Freistoß zugesprochen,
den ein gewisser Armen Petikian versenkte. MIKA holte damit zum 3. Mal den
Pokal innerhalb der letzten vier Jahre.
Im internationalen Fußballgeschäft spielt Armenien eher eine
unbedeutende Rolle. Armenien nimmt seit 1994 an europäischen Pokalwettbewerben
teil, ein großartiges Weiterkommen gelang ihnen jedoch nie. Meist
war nach der ersten Runde Schluss, nur fünf Mal erreichten armenische
Clubs überhaupt die zweite Runde:
Pyunik Jerewan besiegte im Jahre 2002 Tampere United (Finnland) in der Champions
League – Qualifikation mit 4:0 und 2:0. Wohl der größte
Erfolg einen Vereins Hajastans, wie Armenien in der Landessprache heißt.
Pyunik gelang auch 2003 der Sprung in die zweite Runde. Man besiegte KR
Reykjavik aus Island mit 1:0 und 1:1. Gegen Dynamo Kiev bzw. ZSKA Sofia
war dann in der 2.Runde jeweils Schluß.
Im Pokalsiegerwettbewerb kam Ararat Jerewan 1995 gegen GKS Katowice und
1997 gegen Dinamo Batumi (Georgien) weiter, dann war aber ebenfalls Schluss.
Die bekannteste Mannschaft Armeniens dürfte noch Ararat Jerewan sein,
spielten sie doch in der ersten Liga der ehemaligen Sowjetunion (63-88),
waren 73 sogar SU-Meister und nahmen auch oft am EC teil. Doch diese Zeiten
sind lange vorbei, nach der Unabhängigkeit mauserte sich ein Lokalrivale,
heißt z.Zt. Pyunik zum Topteam, Ararat nur noch 2.Wahl.
Die Meisterschaft wird seit 2003 nur noch mit acht Mannschaften ausgetragen.
Man hat die Liga geschrumpft, drei Vereine haben sich zu einem (Banants
Jerewan) zusammengeschlossen. Die von April bis November ausgetragene Meisterschaft
konnte erneut Pyonik für sich entscheiden. Und das bereits zum 3.Mal
in Folge. Fußballer des Jahres wurde Ara Hakobyan, der in 28 Spielen
45 Treffer für Banants erzielte und damit zu den Top-Scorern Europas
zählt.
Die Nationalmannschaft reißt ebenfalls „noch“ keine Bäume
aus. In den letzten vier Qualifikationen zu Welt- und Europameisterschaften
sprangen bei 35 Spielen lediglich 4 Siege heraus. 1998 gegen Albanien 3:0
und in Andorra 3:1, 1999 wieder gegen Andorra 3:0 und 2003 gewann man zu
Hause 1:0 gegen Nordirland. Zwölfmal spielte man Unentschieden (so
u.a. zu Hause gegen Portugal 0:0, gegen die Ukraine 2:2 und auswärts
Norwegen 0:0, Wales 0:0, Ukraine 0:0). 1999 verlor man knapp gegen Frankreich
zu Hause 2:3.
Diese „Erfolge“ beruhen auf der Umstrukturierung der Nationalmannschaft
Mitte der 90er. Setzte man vorher nur auf in Armenien lebende Spieler, so
suchte Trainer Oganesjan seit 96 weltweit nach Spielern armenischer Abstammung.
Selbst ein Djorkaeff hätte in Frage kommen können, wenn er nicht
schon das französische Trikot übergestreift hätte. Mittlerweile
stellt sich das Nationalteam zu großen Teilen aus europäischen
Söldnern zusammen.
In der FIFA-Weltrangliste steht Armenien mittlerweile nur noch auf den 113.Platz
(von 204), denn zwischenzeitlich hatte man es sogar schon auf den 91. gebracht.
Bei der UEFA wird man auf dem 41.Platz (von 51) geführt.
Andre B.
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Jerewan mit dem Berg Ararat, seit 1915 türkisches Teritorim

Republikstadion in Jerewan

Hrazdan-Stadion in Jerevan
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